Ingrid Noll verbinde ich primär mir Kriminalromanen, wodurch ich noch nie ein Buch von ihr in die Hand genommen habe, da das einfach weniger mein Genre ist. Als ich dann aber Kalt ist der Abendhauch im öffentlichen Bücherschrank stehen sah, las ich mir doch einmal den Klappentext durch und schwupps, landete der Roman in meiner Tasche. Er klang nämlich nach einer guten, nicht ganz konventionellen Urlaubslektüre, die sich um mein Steckenpferd, nämlich alte Menschen, dreht. Dass es dann noch Liebe und Mord sowie ganz überraschende Familienkonstellationen und Beziehungen gibt, hat die Sache für mich rund gemacht und am Ende las ich das Buch an zwei Morgenden durch, während mein Freund noch seelig schlummerte.

Worum geht’s Die Geschichte startet damit, dass die 83-jährige Charlotte Besuch von ihrem Schwager Hugo bekommt, den sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Schon vor seiner Hochzeit mit ihrer Schwester Ida war sie in ihn verliebt und noch immer bekommt sie Herzrasen, wenn sie nur an ihn denkt. Die Geschichte entfaltet sich langsam, vor seinem Besuch muss das Haus in Ordnung gebracht werden und man bekommt einen Einblick in das Leben unserer Hauptperson. Nach und nach offenbaren sich da ein paar familiäre Abgründe, Lügen und dann eine sehr eigenwillige Art von „Problemlösen“, die ich nicht habe kommen sehen. Mit dem Besuch von Hugo und ihrer gemeinsamen Zeit kommen noch ein paar mehr unausgesprochene Dinge auf den Tisch und langsam vermischen sich Vergangenheit und Gegenwart.

Wie ist’s Der Beginn war etwas langsam, ich war bei der „alte Frau spricht mit Puppe“-Situation zunächst nicht sicher, ob ich das Buch weiterlesen will, aber zum Glück habe ich durchgehalten. Es wird nämlich richtig gut, hat einige sehr unerwartet kommende Wendungen und die Personen werden von Ingrid Noll hervorragend gezeichnet. Das Thema „Liebe im Alter“ wird sehr gut angesprochen und die Beziehung zwischen Charlotte und Hugo, welche sich so verändert hat und dann wieder doch nicht, ist einfach nur wahnsinnig spannend. Aber auch die Beziehungen innerhalb der Familien werden so dargestellt, dass man sofort eintaucht und irgendwie Teil davon wird.

Im Buch selbst passiert eigentlich gar nicht so viel, man hat viel Vergangenheit, die dann in die jeweiligen Momente eingeflochten wird und einem gut zeigt, warum wer so handelt, wie er es tut. Der Mord, DIE TAT, ist dann irgendwie eher nebensächlich und hilft, einige Personen näher zusammenzubringen. Das Buch lässt sich sehr leicht lesen, man kann ruhig man aufhören, da es nicht fesselnd in dem Sinne ist, dass man wissen will, wie es weitergeht, sondern eben mehr wie ein Besuch bei Verwandten. Es ist ein leises Werk, welches aber eben doch Wirkung hat und man vielleicht noch ein wenig länger über das Lebensende nachdenkt, doch so einen richtigen Knall sucht man hier doch vergebens.

Insgesamt gefiel mir der Stil von Ingrid Noll gut, einen Krimi von ihr müsste ich aber doch nicht lesen, außer er hat wieder ältere Protagonisten in sich, dann würde ich es mir vielleicht überlegen. Lustig fand ich ja, dass das Buch in Darmstadt spielt, was ei eher ungewöhnliches Setting ist, aber eben eine Stadt, mit der ich aufgewachsen bin. Habt ihr schon etwas von Ingrid Noll gelesen? Wenn ja, wie hat es euch gefallen?