Schlagwort: amerikanischer Roman

[Lesenswert] Gun Love – Jennifer Clement

Zwar ist mein eigener „will ich unbedingt bald lesen“-Bücherstapel mit über 80 Exemplaren nicht gerade klein, doch wenn mein Opa mir ein Buch empfiehlt, wird dies natürlich zuerst gelesen. Somit kam ich vor Kurzem in den Genuss von Gun Love von Jennifer Clement, welches ich in nur zwei Tagen verschlungen habe. Warum, erzähle ich euch nun!

Worum geht’s Die 14-jährige Pearl lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Margot in einem kaputten Auto auf einem Trailerpark irgendwo in Florida. War dies eigentlich nur als „Notlösung“ gedacht, nachdem Margot als schwangerer Teenager ihr reiches Elternhaus verließ, wurde das Auto zu einem Zuhause, in welchem sich die beiden so gut es geht einrichten und versuchen, ihrem Alltag zu entfliehen. Ihr Leben am Rand der Gesellschaft verläuft recht ereignislos, bis plötzlich Eli in ihr Leben tritt.

Wie ist’s Das Buch wurde letztes Jahr enorm gehyped, somit sind meine Erwartungen natürlich hoch. Fangen wir mit meiner kurzen Kritik an, ich habe mehr Story erwartet. Es passiert nicht viel, man kann die Handlung in zwei Sätzen zusammenfassen, aber das Buch fesselt trotzdem. Dies liegt an der wunderbar bildgewaltigen Sprache, welche in der Übersetzung ebenfalls sehr gut funktioniert. Die unterschiedlichen Charaktere werden dem Leser wirklich poetisch nahegebracht und allein die ersten beiden Sätze „Meine Mutter war eine Tasse Zucker. Man konnte sie jederzeit ausleihen“ haben mich gekriegt. Das Sozialsystem „Trailerpark“ mit seinen unterschiedlichen Bewohnern und deren Probleme geben einen guten Einblick in das gegenwärtige Amerika (wobei, die Opioidkrise fast noch zu kurz kommt) und thematisieren besonders das Thema „Schusswaffen“.

Das Buch fesselt einen nicht durch seine Story, es ist fast egal, wie es weitergeht, solange es denn noch Seiten gibt, die man lesen kann. Man wartet auf kein Ende, weder auf ein happy end noch etwas Schlimmes, sondern lebt mit Pearl und ihrer Mutter von einem Tag in den anderen. Einige Sätze lassen einen beim Lesen innehalten, da sie wirklich so treffend sind, dass es wehtut. Es ist kein leichtes Buch, welches ich für unterwegs empfehlen würde, sondern wenn man Zeit hat, nicht ständig (durch Bahndurchsagen etc) abgelenkt wird und in der mit Worten gemalten Kulisse versinken kann.

Für mich definitiv eines der besten Bücher, welches ich seit einiger Zeit gelesen habe und ganz klar eine Leseempfehlung. Für so ziemlich jeden übrigens, nur nicht für Hardcore-Thrillerfans, die werden mit nämlich keine Freude haben.

[Lesenswert] Die unsichtbare Frau – Siri Hustvedt

Nachdem ich meinen ersten Roman von Siri Hustvedt („Der Sommer ohne Männer“, Review hier) nur so verschlungen hatte, musste ich gleich noch ein weiteres Buch von ihr lesen. Glücklicherweise hatte ich „Die unsichtbare Frau“ vor kurzem in einer „zu verschenken“-Kiste auf der Strasse gefunden, somit dank an den edlen Spender! Passenderweise hat sie auch noch kleine Liebes-Post-its ihres Freundes drinnen gelassen, die das Lesen gleich noch spannender gemacht haben und dem Buch mehr „Geschichte“ gegeben haben.

Siri Hustvedt Die unsichtbare Frau

Worum geht’s Iris ist Literaturstudentin in New York und immer knapp bei Kasse. Man begleitet sie in vier Kapiteln durch unterschiedliche Phasen in ihrem Leben, wobei man zu Beginn nicht so genau weiß, wo man chronologisch gerade ist. Sie ist intelligent und hübsch, Männer finden sie sehr attraktiv und sind zu ihr hingezogen – Iris hingegen weiß gar nicht so genau, wer sie ist und wer sie sein will. Neugierig versucht sie sich in verschiedenen Rollen, wird jedoch auch von äußeren Faktoren wie ihren Geldsorgen und ihrem Studium, sowie ihrer häufig auftretenden Migräne gelenkt.

Wie ist’s So viel besser als es der Klappentext erahnen lässt, der nur über ihre „Reihe von erotischen Abenteuern“ spricht, die zwar nicht unwichtig sind, aber absolut nicht die Hauptrolle zugeschrieben bekommen sollten. Es geht um einen jungen Menschen, der sehr genau und sensibel auf seine Umwelt reagiert, der sich finden will und sich ausprobiert. Oft scheitert Iris, es gibt wenige Erfolge und doch gibt sie nicht auf – leider kann sie sich kaum Menschen in ihrem Umfeld anvertrauen, was dem Buch noch mehr Schwere gibt. Die Beziehungen zwischen Iris und ihren Mitmenschen (meist, aber nicht ausschließlich, Männer) werden sehr detailliert gezeichnet und das auf für mich so ehrliche, nackte Weise, das es manchmal weh tut.

Mir gefällt gut, dass das Buch nicht komplett chronologisch geschrieben ist, dass es seitenweise um eigentlich unwichtige Dinge geht, die nichts zur Handlung beitragen, aber einen Einblick in die Seele von Iris geben. Man erfährt viel über ihre Persönlichkeit, nimmt an deren Entwicklung teil und erlebt gemeinsam mit ihr den Reiz der neuen, unbekannten Dinge. Man wird inspiriert, es ihr gleich zu tun, man versteht, was sie warum macht und lernt während der Lektüre auch wieder einiges. Siri Hustvedt ist sehr intelligent, was man in ihrem Schreibstil merkt und genau das mag ich hier. Manchmal nimmt sie einen mit auf eine Reise über einige Seiten, wo man absolut keine Ahnung hat, wieso das relevant sein soll, aber plötzlich blättert man um, liest zwei Sätze und alles macht wieder Sinn. Es ist keine ganz so leichte Nebenbei-Lektüre, obwohl ich sie meist in der Bahn gelesen habe – aber wenn man einmal anfängt, will man ständig wissen, wie es weitergeht und legt das Buch nicht mehr aus der Hand. Mit den 270 Seiten war ich in zwei Tagen durch, obwohl ich eigentlich weniger privat lese, wenn ich viel wissenschaftlichen Kram lesen muss, hier konnte ich aber nicht anders. Um sich treu zu bleiben, verweist Hustvedt natürlich auch wieder auf Kierkegaard und jetzt kann ich sagen, dass ich auch ein Grundwissen über diesen Philosophen habe (ok, ich las den Wikipedia-Artikel *g*).

Erneut ein Buch genau nach meinem Geschmack und bestimmt nicht das letzte Werk der Autorin, welches ich gelesen habe. Mal sehen, wann ich das Glück habe, erneut über ein Buch von ihr zu stolpern – solltet ihr es tun, lasst euch nicht von dem etwas plakativen Klappentext abschrecken, das Buch ist so viel mehr als „erotische Abenteuer“ und absolut lesenswert! Habt ihr schon etwas von Siri Hustvedt gelesen?

[Lesenswert] Der Sommer ohne Männer – Siri Hustvedt

Mein feministisches Ich jammert etwas, aber ich muss zugeben, dass ich ohne Paul Auster nie auf Siri Hustvedt gestoßen wäre. Die beiden sind nämlich verheiratet und als ich vor Jahren eigentlich alles von Auster verschlang, was ich in die Hände bekam, habe ich seine Frau dann eine zeitlang vergessen und letzt dank öffentlichem Bücherschrank zum Glück wiedergefunden. Als ich Der Sommer ohne Männer fand, dachte ich vom Titel alleine, dass es eine seichte Frauen-Sommerlektüre sei, der Autorenname hat mich dann aber schnell zum Zugreifen gebracht – was ich definitiv nicht bereut habe!

Der Sommer ohne Männer

Worum geht’s Mia flüchtet aus New York und ihrem Leben als Dichterin, nachdem ihr Mann Boris ihr von seiner Affäre mit einer jüngeren Kollegin erzählt hat und eine Pause von ihrer Ehe will. Die 55-jährige zieht – nach einem kurzen Aufenthalt in der Psychiatrie, da die einen Zusammenbruch erleidet – für den Sommer bei ihrer Mutter in Minnesota ein, um sich über ihr Leben und was sie will, klar zu werden. In ihrem neuen Alltag unternimmt sie viel mit ihrer Mutter und deren Freundinnen, den „Schwänen“, aus dem Altenheim und bekommt somit einen Blick in ihre Zukunft. Gleichzeitig entschließt sie sich, einen Schreibkurs für junge Mädchen im Ort anzubieten und reist somit emotional zurück in die eigene Vergangenheit. Durch den Kontakt mit ihrer Tochter Daisy und sporadisch mit ihrem Boris und einem „unbekannten Bewunderer“ namens Mr. Niemand via Email bleibt sie allerdings auch immer in der Gegenwart gefangen und kann nicht vor ihren Problemen fliehen.

Wie ist’s Vorneweg, Siri Hustvedt schreibt absolut fesselnd und ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen, obwohl die Thematik jetzt nicht unbedingt genau meine ist. Man fühlt sich sofort mit ihren Personen verbunden, es gibt keine Kapitel, sondern eher Gedankenfragmente, die sich in dem Buch zusammensetzen und ein großes Ganzes ergeben. Sie schreibt sehr offen, selbstironisch und „leise“ – was eine hervorragende Kombination ist, wenn man menschliche Beziehungen aufarbeiten mag. Der Leser lebt mit, grübelt über seine eigenen (Paar-)Beziehungen nach und bekommt auch immer wieder spannende Denkanregungen, da Hustvedt gerne fachlich in Richtung Psychoanalyse und Philosophie geht – sie verweist so oft auf Kierkegaard, dass ich mich hier erst einmal einlesen musste.

Für mich absolut kein typischer, leichter Frauenroman, sondern für jeden geeignet, der ein intelligentes Buch über menschliche Beziehungen und das Leben mit all seinen Krisen sucht. Statt einer dramatischen Situation, auf deren Lösung hin zugearbeitet wird, gibt es hier verschiedene Erzählstränge, die mal mehr und mal weniger dominant sind und auch noch weiter ausgearbeitet hätten werden können. Mir gefällt aber die Leichtigkeit, mit der das eben nicht geschieht und somit sehr viel realitätsnäher erscheint. Man fragt sich natürlich immer wieder, ob sie hier von ihrem eigenen Leben erzählt, was das Buch nicht uninteressanter macht 😉 Insgesamt ein Buch, welches ich jedem empfehlen würde – mittlerweile bin ich schon bei dem zweiten Buch, was ich von ihr gefunden habe, nämlich „Die unsichtbare Frau“ und auch hier schon sehr angetan!

Habt ihr schon etwas von Siri Hustvedt gelesen? Wie hat es euch gefallen? Ist bestimmt nicht nach jedermanns Geschmack..somit wenn ihr noch Empfehlungen in diese Richtung habt, nur her damit!

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