Seit Jahren stehen die Bücher dieser Autorin schon auf meiner Liste und irgendwie bin ich nie dazu gekommen. Somit habe ich mich umso mehr gefreut, als ich The island of missing trees von Elif Shafak in der Bücherei entdeckte. Wie erwartet, habe ich es nur so verschlungen und mir schon zwei weitere Romane von ihr ausgeliehen! Absolute Lese-Liebe!


Worum geht’s

Die beiden Teenager Kostas und Define verlieben sich, aber das darf im Jahr 1974 auf Zypern nicht öffentlich werden. Denn Kostas ist ein griechischer Christ und Defne eine muslimische Türkin, die sich nur in einer Taverne, im Schutz zweier Freunde und eines Feigenbaumes, im Verborgenen treffen können. Dann bricht jedoch ihre Welt zusammen, denn im Sommer wird der Norden Zyperns von türkischen Streitkräften besetzt und es kommt zu nicht vorstellbarem Blutvergiessen zwischen ehemaligen Nachbarn, Freunden, anderen Zyprern und auswärtigen Soldaten. Jahrzehnte später erfährt Ada, die Tochter der beiden, die in England aufgewachsen ist, nach und nach von diesen Erlebnissen, da sie zum ersten Mal ihre Tante (mütterlicherseits) kennenlernt.

Wie ist’s

Schmerzhaft und grandios. Elif Shafak schreibt so wunderbar, dass ich ihr selbst nicht übelnehme, dass sich ein Feigenbaum in einen Menschen verlieben kann und eine eigene Stimme in diesem Buch bekommt. Denn genau diese Erzählerperspektive ist notwendig, um die komplexe, auf verschiedenen Zeitebenen spielende Geschichte vollständig dem Leser zu vermitteln. Man leidet – mit Kostas, Defne, Ada und allen Menschen, die während dieser Tragödie auf Zypern lebten und noch immer mit der Aufarbeitung zu tun haben. Persönlich war mir der Zypernkonflikt zwar bekannt, aber mich intensiver damit auseinandergesetzt habe ich mich erst jetzt. Und habe dabei wirklich erschreckende Sachen gelernt, die mir einfach nicht bewusst gewesen sind.

Die einzelnen Charaktere sind mit Liebe entworfen, sie überraschen einen, bringen einen zum Lachen, zum Weinen und besonders zum Nachdenken. Neben politischen und historischen Fakten lernt man auch sehr viel über Natur, sei es besonders über Bäume, aber auch andere Pflanzen und Tiere Zyperns sowie etwas rund um das Thema „Ausgrabung von menschlichen Knochen“. Was ich alles nicht erwartet habe, es mich aber umso mehr fesselte und den einzelnen Charakteren und Nebenstories mehr Tiefe verlieh. Natürlich ist Coming of Age gleich zweifach ein Thema: einmal die beiden Teenager, die sich heimlich treffen mussten und dann lange Zeit später ihre Teenagertochter, die ihre eigene Welt, ihren Platz darin und ihre Geschichte zu hinterfragen beginnt. Dass dies verwoben wird, fand ich ganz großartig konstruiert!


Ich habe überhaupt nichts an diesem Buch auszusetzen (sogar die Länge ist perfekt), es ist für mich eine begeisternde 10/10 und ich kann es nicht abwarten, alle anderen Werke von dieser Autorin zu verschlingen. Wer sich in eine andere, aber doch nicht so andere Welt entführen lassen und viel fühlen will, das ist euer Buch!