Nachdem ich The Human Act von Han Kang nur so verschlungen habe, musste ich direkt wieder los und mich an We do not part (Partnerlink) heranwagen. Hierbei handelt es sich erneut um ein so grausam gutes Werk voller poetischer Erinnerungen an ein verdrängtes Kapitel der koreanischen Geschichte. Aber zunächst einmal geht es um zwei Frauen und einen Vogel, dessen Leben gerettet werden muss!


Worum geht’s

Im Zentrum steht Kyungha, eine Schriftstellerin aus Seoul, die nach dem Schreiben über das Massaker von Gwangju selbst in eine Krise stürzt. Als ihre Freundin Inseon nach einem schweren Arbeitsunfall im Krankenhaus liegt, bittet sie Kyungha, um ihren Vogel Ama zu kümmern, der dringend mit Wasser und Futter versorgt werden muss. Die Reise auf die Insel Jeju, Inseons Haus liegt dort sehr abseits von allem, wird zu einer existenziellen Erfahrung: Inmitten eines schweren Schneesturms kämpft Kyungha nicht nur gegen die Naturgewalten, sondern auch gegen die Geister der Vergangenheit. In Inseons Haus begegnet sie Visionen und Erinnerungen, die die Schrecken der Jeju-Massaker lebendig werden lassen.

Wie ist’s

Auf enorm eindrucksvolle Weise schafft es Han Kang, persönliche Traumata mit den dunklen Kapiteln der koreanischen Geschichte zu verbinden. Hierbei ist einem als Leser nicht immer klar, was gerade Traum, was Erinnerung und was Wirklichkeit während der Reise durch den Schnee ist und genau das hat mich sehr gefesselt. Direkt nach dem Lesen wollte ich das Buch am liebsten noch einmal lesen, musste es aber leider zurück zur Bücherei bringen, da die Nachfrage einfach zu groß ist. We do not part thematisiert die Jeju-Massaker von 1948 – ein lange verschwiegenes und nur langsam aufgearbeitetes Verbrechen, bei dem bis zu 30.000 Zivilisten getötet wurden, Familien ausgelöscht und Menschen ohne jegliche Spuren bis heute verschwunden sind.

Han Kang schreibt sehr poetisch, die Sprache ist symbolreich und erinnert an einen Traum, wodurch für den Leser die Grenzen zwischen Realität und Erinnerung verschwimmen. Schnee bzw Schneeflocken werden hier zu einem immer wiederkehrenden Motiv – er bedeckt, konserviert und enthüllt zugleich. Die Erzählung springt zwischen Zeitebenen und Perspektiven, wodurch ein vielschichtiges Bild von persönlichen und kollektiven Traumata und Erinnerung entsteht, welches in einem nachhallt und dieses Plädoyer für das Sichtbarmachen verdrängter Geschichte so eindringlich macht. Man kann sich gar nicht dagegen wehren, an die dunklen, verdrängten Kapitel in der (eigenen) Geschichte zu denken und wird motiviert, hier Aufklärungsarbeit zu leisten, damit nicht vergessen wird. Ein sehr bewegendes, tiefgründiges, mitreißendes und trotzdem poetisches Buch, welches ich jedem nur empfehlen kann!


Auch das zweite Werk von Han Kang hat mich umgehauen, was bedeutet, dass ich noch mehr von ihr lesen werde und hoffe, dass es noch etwas in der Bibliothek vor Ort gibt. We do not part werde ich definitiv noch ein zweites Mal lesen, um zu schauen, wie es sich dann anfühlt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert