Schlagwort: Buchkritik

[Lesenswert] Die unsichtbare Frau – Siri Hustvedt

Nachdem ich meinen ersten Roman von Siri Hustvedt („Der Sommer ohne Männer“, Review hier) nur so verschlungen hatte, musste ich gleich noch ein weiteres Buch von ihr lesen. Glücklicherweise hatte ich „Die unsichtbare Frau“ vor kurzem in einer „zu verschenken“-Kiste auf der Strasse gefunden, somit dank an den edlen Spender! Passenderweise hat sie auch noch kleine Liebes-Post-its ihres Freundes drinnen gelassen, die das Lesen gleich noch spannender gemacht haben und dem Buch mehr „Geschichte“ gegeben haben.

Siri Hustvedt Die unsichtbare Frau

Worum geht’s Iris ist Literaturstudentin in New York und immer knapp bei Kasse. Man begleitet sie in vier Kapiteln durch unterschiedliche Phasen in ihrem Leben, wobei man zu Beginn nicht so genau weiß, wo man chronologisch gerade ist. Sie ist intelligent und hübsch, Männer finden sie sehr attraktiv und sind zu ihr hingezogen – Iris hingegen weiß gar nicht so genau, wer sie ist und wer sie sein will. Neugierig versucht sie sich in verschiedenen Rollen, wird jedoch auch von äußeren Faktoren wie ihren Geldsorgen und ihrem Studium, sowie ihrer häufig auftretenden Migräne gelenkt.

Wie ist’s So viel besser als es der Klappentext erahnen lässt, der nur über ihre „Reihe von erotischen Abenteuern“ spricht, die zwar nicht unwichtig sind, aber absolut nicht die Hauptrolle zugeschrieben bekommen sollten. Es geht um einen jungen Menschen, der sehr genau und sensibel auf seine Umwelt reagiert, der sich finden will und sich ausprobiert. Oft scheitert Iris, es gibt wenige Erfolge und doch gibt sie nicht auf – leider kann sie sich kaum Menschen in ihrem Umfeld anvertrauen, was dem Buch noch mehr Schwere gibt. Die Beziehungen zwischen Iris und ihren Mitmenschen (meist, aber nicht ausschließlich, Männer) werden sehr detailliert gezeichnet und das auf für mich so ehrliche, nackte Weise, das es manchmal weh tut.

Mir gefällt gut, dass das Buch nicht komplett chronologisch geschrieben ist, dass es seitenweise um eigentlich unwichtige Dinge geht, die nichts zur Handlung beitragen, aber einen Einblick in die Seele von Iris geben. Man erfährt viel über ihre Persönlichkeit, nimmt an deren Entwicklung teil und erlebt gemeinsam mit ihr den Reiz der neuen, unbekannten Dinge. Man wird inspiriert, es ihr gleich zu tun, man versteht, was sie warum macht und lernt während der Lektüre auch wieder einiges. Siri Hustvedt ist sehr intelligent, was man in ihrem Schreibstil merkt und genau das mag ich hier. Manchmal nimmt sie einen mit auf eine Reise über einige Seiten, wo man absolut keine Ahnung hat, wieso das relevant sein soll, aber plötzlich blättert man um, liest zwei Sätze und alles macht wieder Sinn. Es ist keine ganz so leichte Nebenbei-Lektüre, obwohl ich sie meist in der Bahn gelesen habe – aber wenn man einmal anfängt, will man ständig wissen, wie es weitergeht und legt das Buch nicht mehr aus der Hand. Mit den 270 Seiten war ich in zwei Tagen durch, obwohl ich eigentlich weniger privat lese, wenn ich viel wissenschaftlichen Kram lesen muss, hier konnte ich aber nicht anders. Um sich treu zu bleiben, verweist Hustvedt natürlich auch wieder auf Kierkegaard und jetzt kann ich sagen, dass ich auch ein Grundwissen über diesen Philosophen habe (ok, ich las den Wikipedia-Artikel *g*).

Erneut ein Buch genau nach meinem Geschmack und bestimmt nicht das letzte Werk der Autorin, welches ich gelesen habe. Mal sehen, wann ich das Glück habe, erneut über ein Buch von ihr zu stolpern – solltet ihr es tun, lasst euch nicht von dem etwas plakativen Klappentext abschrecken, das Buch ist so viel mehr als „erotische Abenteuer“ und absolut lesenswert! Habt ihr schon etwas von Siri Hustvedt gelesen?

[Lesenswert] Der Sommer ohne Männer – Siri Hustvedt

Mein feministisches Ich jammert etwas, aber ich muss zugeben, dass ich ohne Paul Auster nie auf Siri Hustvedt gestoßen wäre. Die beiden sind nämlich verheiratet und als ich vor Jahren eigentlich alles von Auster verschlang, was ich in die Hände bekam, habe ich seine Frau dann eine zeitlang vergessen und letzt dank öffentlichem Bücherschrank zum Glück wiedergefunden. Als ich Der Sommer ohne Männer fand, dachte ich vom Titel alleine, dass es eine seichte Frauen-Sommerlektüre sei, der Autorenname hat mich dann aber schnell zum Zugreifen gebracht – was ich definitiv nicht bereut habe!

Der Sommer ohne Männer

Worum geht’s Mia flüchtet aus New York und ihrem Leben als Dichterin, nachdem ihr Mann Boris ihr von seiner Affäre mit einer jüngeren Kollegin erzählt hat und eine Pause von ihrer Ehe will. Die 55-jährige zieht – nach einem kurzen Aufenthalt in der Psychiatrie, da die einen Zusammenbruch erleidet – für den Sommer bei ihrer Mutter in Minnesota ein, um sich über ihr Leben und was sie will, klar zu werden. In ihrem neuen Alltag unternimmt sie viel mit ihrer Mutter und deren Freundinnen, den „Schwänen“, aus dem Altenheim und bekommt somit einen Blick in ihre Zukunft. Gleichzeitig entschließt sie sich, einen Schreibkurs für junge Mädchen im Ort anzubieten und reist somit emotional zurück in die eigene Vergangenheit. Durch den Kontakt mit ihrer Tochter Daisy und sporadisch mit ihrem Boris und einem „unbekannten Bewunderer“ namens Mr. Niemand via Email bleibt sie allerdings auch immer in der Gegenwart gefangen und kann nicht vor ihren Problemen fliehen.

Wie ist’s Vorneweg, Siri Hustvedt schreibt absolut fesselnd und ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen, obwohl die Thematik jetzt nicht unbedingt genau meine ist. Man fühlt sich sofort mit ihren Personen verbunden, es gibt keine Kapitel, sondern eher Gedankenfragmente, die sich in dem Buch zusammensetzen und ein großes Ganzes ergeben. Sie schreibt sehr offen, selbstironisch und „leise“ – was eine hervorragende Kombination ist, wenn man menschliche Beziehungen aufarbeiten mag. Der Leser lebt mit, grübelt über seine eigenen (Paar-)Beziehungen nach und bekommt auch immer wieder spannende Denkanregungen, da Hustvedt gerne fachlich in Richtung Psychoanalyse und Philosophie geht – sie verweist so oft auf Kierkegaard, dass ich mich hier erst einmal einlesen musste.

Für mich absolut kein typischer, leichter Frauenroman, sondern für jeden geeignet, der ein intelligentes Buch über menschliche Beziehungen und das Leben mit all seinen Krisen sucht. Statt einer dramatischen Situation, auf deren Lösung hin zugearbeitet wird, gibt es hier verschiedene Erzählstränge, die mal mehr und mal weniger dominant sind und auch noch weiter ausgearbeitet hätten werden können. Mir gefällt aber die Leichtigkeit, mit der das eben nicht geschieht und somit sehr viel realitätsnäher erscheint. Man fragt sich natürlich immer wieder, ob sie hier von ihrem eigenen Leben erzählt, was das Buch nicht uninteressanter macht 😉 Insgesamt ein Buch, welches ich jedem empfehlen würde – mittlerweile bin ich schon bei dem zweiten Buch, was ich von ihr gefunden habe, nämlich „Die unsichtbare Frau“ und auch hier schon sehr angetan!

Habt ihr schon etwas von Siri Hustvedt gelesen? Wie hat es euch gefallen? Ist bestimmt nicht nach jedermanns Geschmack..somit wenn ihr noch Empfehlungen in diese Richtung habt, nur her damit!

[Lesenswert] Back Home: Wiedersehen mit Amerika – McCormarck

Auf der Suche nach einem dünnen, leicht zu lesenden Buch in meiner kleinen Bibliothek stieß ich auf die Reiselektüre Back Home: Wiedersehen mit Amerika von dem Ethnologen McCormarck. Vor vielen Jahren (es kam 2004 heraus) hatte ich es schon einmal gelesen, aber so wirklich erinnern konnte ich mich dann doch nicht – optimale Voraussetzungen für einen zweiten Versuch! McCormarck, gebürtiger Amerikaner, war lange Jahre durch seine Forschung im Ausland und beschreibt in diesem Werk sein Zurückkommen, welches er gleichzeitig zu einem Roadtrip quer durchs Land nutzt.

Back Home Willkommen in Amerika

Worum geht’s Mc Cormarck reist einmal quer durch die Vereinigten Staaten, wobei er aber nicht bei den touristischsten Zielen stoppt, sondern eben bei Orten, die kuriose Geschichten zu erzählen haben. Um ein paar zu nennen: Oak Park (Illinois), Huntsville (Texas), Elko (Nevada) und Ketchum (Idaho). Pro Stadt gibt es dann meist nur ein paar Seiten zu lesen, wodurch das Buch perfekt für zwischendurch ist oder für Menschen, die sich enorm schnell langweilen. Mal sind es geschichtliche Ereignisse, die thematisiert werden, mal momentane Zustände, sodass man eigentlich nie weiß, was das vorherige Kapitel bringt.

Wie ist’s Leider mag ich seinen Schreibstil nicht, womit ich nicht wirklich gefesselt von dem Buch bin – allerdings sind die Kapitel so kurz und abwechslungsreich, dass es durch die Vielfalt trotzdem Spaß macht. Man bekommt Inspiration, abseits der Touristenpfade zu wandeln und ich habe auch ein paar Orte entdeckt, die ich gerne besuchen würde. Da mein bester Freund und ich jetzt schon dreimal mit dem Mietwagen quer durch die USA gefahren sind und eben immer in solch unbekannten, aber absolut spannenden Orten gestoppt haben, statt uns nur auf die großen Metropolen zu konzentrieren, mag ich solche Berichte aber doch gerne lesen. Da das Buch gebraucht für quasi nichts zu kaufen ist, kann ich es euch empfehlen, wenn ihr euch für die USA und eher unbekanntere Orte interessiert..oder alleine für das Roadtrip-Feeling, welches doch auch etwas mitschwingt.

Lest ihr gerne Reiseberichte und könnt mir etwas empfehlen? Ich habe zwar noch recht viele Werke auf dem SUB, aber meine Amazonliste „für später“ hat immer noch Platz!

[Lesenswert] Frauen in Indien: Erzählungen

Das Schöne bei Amazon ist ja, dass es einem verrät, wann man ein Buch gekauft hat. Dieses hier habe ich im Mai 2011 gekauft, dann einmal gelesen und letzt wieder zur Hand genommen und es erneut nur so verschlungen. Verrückterweise erinnerte ich mich auch kaum noch an eine der zwölf Erzählungen, somit war es wie ein neues Buch, welches ich nur schon fünf Jahre im Schrank stehen habe. Der Sammelband Frauen in Indien: Erzählungen lässt indische Autorinnen, verstreut über den gesamten Subkontinent, zu Wort kommen, die Kurzgeschichten über Frauenschicksale verfasst haben und unterschiedlichste Thematiken ansprechen.

Frauen in Indien

Worum geht’s Verschiedene Frauenschicksale werden in kurzen Geschichten abgehandelt, wobei nicht unbedingt das Individuum im Fokus steht. Man erfährt viel über diverse Lebenswelten in Indien, als Themen sind z.b. Gewalt gegen und Unterdrückung von Frauen, arrangierte Ehe, unglückliche Liebe, Machtspiele, Familienverhältnisse, indische Sagen und Rituale, Selbstmord und Todesfällen, Witwen, weibliche Körper, Stellung der Frau und die indische Gesellschaft vertreten. Ihr seht, langweilig wird es einem bestimmt nicht. Man bekommt spannende Einblicke in verschiedene Situationen, leidet und fiebert mit und kann daraus einfach eine Idee ziehen, wie es sich selbst als Frau in Indien so leben könnte.

Wie ist’s Die einzelnen Geschichten sind sehr kurz, lassen sich also auch nur mal schnell zwischendrin lesen, wobei mich der Sammelband so gefesselt hat, dass ich „nur noch eine“ lesen wollte und dann einige Stunden später komplett durch war. Die Themen sind so vielfältig und abwechslungsreich, dass es auch nicht langweilig wird, sondern man sich einfach freut, noch eine neue Facette zu entdecken und zu lernen. Dass viele Begriffe in Hindi gelassen werde, finde ich super, die Legende am Ende des Buches hilft einem da weiter. Kann man sich gleich für den Indienurlaub ein paar Worte merken! Dass es Kurzprofile der einzelnen Autorinnen gibt, ist ebenfalls hilfreich, will man weiter in die Thematik einsteigen und noch mehr von ihnen lesen. Ich habe es damals für ein Seminar an der Uni nebenbei gelesen, aber auch viel daraus für meine spätere Forschung mitgenommen, da ich las, wie sich die einzelnen Frauen in den jeweiligen Situationen verhalten und mir damals schon überlegte, was ich jeweils tun würde. Eine kleine Trockenübung, bevor es dann in der Realität so weit war.

Wer Lust auf einen realeren Einblick in weibliche Lebenswelten in Indien hat und nicht nur diese kolonialen Liebesschnulzen verschlingen mag, dem kann ich diesen dünnen, aber sehr zum Nachdenken anregenden Sammelband nur ans Herz legen. Es ist nichts für die seichte Urlaubslektüre, dafür sind die Themen zu krass und nahegehend, aber augenöffnend und empfehlenswert sind sie allemal!

Wer sich für dieses Thema interessiert, dem kann ich noch die indische Autorin Arundhati Roy ans Herz legen, die mit Der Gott der kleinen Dinge international durchstartete. Auch dieses Buch habe ich damals nur so verschlungen, wobei ich ihr politisches Engagement und somit den kleinen Gesprächsband Wahrheit und Macht noch besser finde! 

[Lesenswert] Euphoria – Lily King

Über Euphoria von Lily King bin ich zufällig vor längerer Zeit im Dussmann gestolpert, als ich in der englischen Bücherecke etwas stöberte. Eigentlich wollte ich es mir auch sofort kaufen, doch dann dachte ich mir, ich schaue mal, ob meine Bibliothek (das Grimm-Zentrum direkt um die Ecke) es nicht auch hat. Ist ja immerhin irgendwie wissenschaftlich, als ethnologisch relevant, wenn es auch Fiktion ist. Und ich hatte Glück, zwar war es noch wochenlang ausgeliehen und auch nur auf deutsch verfügbar, aber ich konnte es vorbestellen und vorletzte Woche endlich abholen.

Euphoria Lily King

Worum geht’s Lily King läßt sich vom realen Leben der Ethnologie Margaret Mead und ihrer gemeinsamen Forschung mit deren Mann in Neuguinea Anfang der 1930er Jahre inspirieren. Im Buch heißt die junge Amerikanerin Nell Stone, welche mit ihrem Mann Fenn einige Jahre schon geforscht hat und nun in Australien auf den britischen Ethnologen Andrew Bankson stößt, von welchem sowohl sie als auch ihr Mann fasziniert scheinen. Gemeinsam philosophieren sie über ihre jeweilige Feldforschung mit ihren Hindernissen und Ergebnissen und sind verzweifelt-motiviert, mit ihrer Forschung am Sepik doch noch „brauchbare“ Daten zu bekommen. Nell und Fenn lassen sich bei den Tam nieder, die sie zu erkunden versuchen und Andrew kommt immer wieder zu Besuchen vorbei, die zwar fruchtbar für die Forschung, aber auch zerstörerisch für diese fragile Dreiecksbeziehung sind. Nell und Andrew kommen sich immer näher, während Fenn einen gefährlichen Plan hat, wie er sich in der Fachwelt profilieren kann.

Wie ist’s Absolut grandios, ich habe das Buch nur so verschlungen und mir gewünscht, ich hätte es schon zu Beginn meines Ethnologiestudiums lesen können. Es ist Fiktion, aber man nimmt doch viel daraus mit, wie es sich „im Feld“ lebt und ich habe mich oft an meine eigene Forschung in Indien erinnert gefühlt. Wobei das um Welten „weniger einsam“ war, konnte ich ja niemanden mehr „entdecken“, sondern nur versuchen zu verstehen, wie die Menschen dort ihrer/unserer Welt Bedeutung verleihen. Man sympathisiert mit Nell, Fenn wird einem zusehends unsympathischer und der Underdog Andrew bekommt zwar mein Herz, aber leider nicht alles in dem Roman, was er sich wünscht. Auch wenn das Thema zunächst nach Wissenschaftspublikum klingt, ich glaube, dass sich jeder darin verlieren könnte, geht es eben nicht nur um Forschung, sondern um Selbstfindung, Liebe, Eifersucht, Macht, Wut, Habgier und dem Drang nach noch „immer mehr“. Die „sinnlichen“ Stellen hätte man wegen mir weglassen können, doch machen sie durchaus Sinn, wenn man bedenkt, was die wirkliche Margaret Mead eben so erforscht und publiziert hat und es sie geben dem Roman auch eine weitere Spannungsebene.

Der Schreibstil von Lily King ist fesselnd, flüssig und lässt einen sich gut in die jeweilige Situation einfinden. Man hat das Gefühl, man erfährt, wie es war, früher zu forschen, als es noch ein Abenteuer war und man nicht nur noch ins Flugzeug steigen musste. Da ich selbst nach Papua-Neuguinea zwecks meiner Doktorarbeit wollte, bereue ich es bei diesem Bericht doch, es nicht getan zu haben, aber manchmal passen die äußeren Umstände einfach nicht. Nach wie vor fasziniert mich die Ecke aber und ich würde am liebsten sofort selbst hin mit nichts außer einem dicken, leeren Buch und meiner Kamera. Wer eine etwas andere Sommerlektüre oder eben einen Liebesroman in ungewöhnlichem Setting sucht, dem lege ich diesen Roman sehr ans Herz – man kann ihn in zwei Tagen auch locker durchlesen!

Habt ihr das Buch zufällig schon gelesen oder davon gehört? Mein Ethnologenherz hüpft immer, wenn es über den wissenschaftlichen Tellerrand hinausgeht und solche Bücher dürften dazu beitragen, dass ich nicht immer in verwirrte Gesichter schaue, wenn ich sage, dass ich Ethnologin bin..wenn auch so eine langweilige, neumodische Vertreterin, die nicht mehr tagelang mit dem Kanu, sondern nur ein paar Stunden mit dem Flugzeug bis zu ihrem „Feld“ braucht – und ja, ich wäre wahnsinnig gerne in den 30er Jahren an den Sepik gegangen und wahrscheinlich an Malaria erkrankt 😉 

[Lesenswert] 39,90 von Frédéric Beigbeder

Schon wieder hatte ich Glück und fand im öffentlichen Bücherschrank ein Werk, welches ich schon seit seinem Erscheinen lesen wollte. 39,90 von Frédéric Beigbeder kam 2011 heraus und somit hat es diesmal nur fünf Jahre gedauert, bis auch ich in den Genuss dieses Romans kam. Dafür habe ich ihn aber in zwei Tagen durchgelesen, da ich ihn gar nicht mehr aus der Hand legen wollte und in jeder freien Minute das Buch geschnappt habe!

Neununddreißig Neunzig Buch

Worum geht’s Octave Parango hat von außen gesehen einen Traumjob in einer renommierten Werbeagentur in Paris. Doch er hasst seinen Job, seine Kollegen und irgendwie auch sein Leben, hat er sich gerade auch noch von seiner schwangeren Freundin getrennt, da er damit so gar nicht klarkam. Er nimmt den Leser mit in seinen Alltag aus absurden Kundenwünschen, sinnlosen Konferenzen, käuflicher Liebe und Drogen und zeigt sehr zynisch, dass eigentlich alles und jeder käuflich ist. Für einen großen Kunden geht es dann nach Florida zu einem Videodreh, wo die Lage eskaliert.

Wie ist’s Das Buch ist eine Abrechnung mit der Werbebranche, in der der Autor selbst zehn Jahre als Werbetexter tätig war. Man hat das Gefühl, dass er viele dieser Momente selbst (in sehr abgeschwächter Form) erlebt hat und durch die zynische Sichtweise im Roman jetzt besser mit ihnen umgehen kann. Mir persönlich hat sein Schreibstil sehr gefallen, die Aufmachung des Buches ebenfalls und die Story war teilweise absolut nicht vorhersehbar und überraschend, was noch einmal ein großes Plus ist. Man bekommt einen Einblick in die Welt der Creative/Art/sonstwie Directors, der einen an einigem zweifeln lässt und zum Nachdenken anregt. Jedem, der „irgendwas mit Medien“ machen mag, kann ihn das Buch ans Herz legen, da man so auf unterhaltsame Art einen Einblick in die Branche erhält.

Das Buch selbst kann man dann wiederum in diesem Rahmen bewerten, es selbst als Werbung und Kampagne sehen, was vom Autoren sehr gut gemacht wird. Also dieses Aufzeigen, dass wir selbst doch immer alle an diesem Spiel beteiligt sind und konsumieren statt uns aktiv zu wehren und zu hinterfragen. Ich hoffe, das ergibt gerade Sinn, wenn nicht, schnappt euch den Roman (oder den Film, wobei ich immer das Buch vorziehen würde) und schaut, wie ihr mit ihm zurechtkommt! Zwischen laut in der Bahn auflachen und etwas schockiert auf die Seiten starren, was da gerade passiert, sind auf jeden Fall viele Reaktionen bei mir dabei gewesen und wäre ich nicht so schlecht im Merken von Zitaten, würde ich einige der gut geschriebenen Zeilen sofort wiedergeben!

Kennt ihr das Buch oder den Film? Wie hat er euch gefallen? 

[Lesenswert] Darm mit Charme – Giulia Enders

Ich erinnere mich noch genau, dass ich dieses Buch das erste Mal in der Flughafenbuchhandlung in Basel in der Hand hatte und den Titel richtig genial fand. Mitgenommen habe ich es damals nicht, da ich schon genug zu lesen für meinen Kurztrip dabeihatte und dann verlor ich Darm mit Charme von Giulia Enders irgendwie aus den Augen. Da es bisher wohl auch noch nicht ins Englische übersetzt wurde (wieso eigentlich nicht), habe ich es in Kanada dann auch einfach vergessen. Umso toller, dass eine meiner Freundinnen es herumliegen hatte und ich es mir so mal für ein paar Tage ausgeliehen hatte. Dank kürzerer Kapitel und vielen lustigen Illustrationen ist man mit dem Buch auch in 3-4 Tagen locker durch!

Darm mit Charme

Worum geht’s Darm mit Charme versucht mit viel Witz alle möglichen Fakten über unser „unterschätztes“ Organ zu vermitteln, über das man irgendwie nicht so oft spricht. Dabei erfährt man etwas über den Aufbau des Darmsystems und der Darmflora mit ihren Bakterien, was genau dort geschieht mit unserer Nahrung, wie es zu Unverträglichkeiten/Allergien kommt, was das Gehirn mit unserem Darm zu tun hat und auch verschiedene Problemchen wie Verstopfung, Aufstoßen und Erbrechen werden erklärt.

Wie ist’s Wirklich eine sehr gute Kombination aus Wissensvermittlung, lustigen Fakten und tollen Illustrationen. Hier lernt man quasi nebenbei, wird sehr gut unterhalten und hat jetzt diverse neue Smalltalk-Fakten („Wussten Sie, dass ihr Kot immer gleich salzig ist?“). Durch die vielen Illustrationen und Kurzkapitel wird einem auch nicht langweilig, die Themen sind gut aufeinander aufgebaut und ich hatte viel Spaß beim Lesen. Man lernt Sachen, über die man (ich?) noch nie nachgedacht hat – z.b. wie man richtig auf dem Klo sitzt. Manchmal hätte es etwas weniger locker-flockig sein dürfen, das war mir auf Dauer fast schon zu anstrengend, aber mit Pausen ging es richtig gut.

Eine nette Nachmittagslektüre für den Park, die man aber auch aus der Hand legen und später wieder gut einsteigen kann. Es ist kein wissenschaftliches Werk, medizinische Begriffe fallen weg bzw werden nur selten verwendet und es wurde verständlich für Laien geschrieben. Dabei wurden aber bestimmt komplexe Abläufe vereinfacht, was man sich eben bewusst machen muss – will man sich tieferes Wissen aneignen, sollte man sich dann doch auf andere Bücher stützen. Aber wer einfach nur Unterhaltung sucht und gerne grundsätzliches zu seinem Darm lernen mag, ist hier richtig!

Ich mag solche lustig geschriebenen „Sachbücher“ ja, die Sparte ist in Deutschland irgendwie noch unterbesetzt. Zumindest im englischsprachigen Raum gibt es davon viele und solltet ihr es noch nicht kennen, kann ich euch Freakonomics sehr empfehlen! Habt ihr „Darm mit Charme“ gelesen? Wie hat es euch gefallen? Und könnt ihr ein weiteres, unterhaltsames Fachbuch empfehlen? 

[Lesenswert] Endlich! – Ildikó von Kürthy & Modestrecke Unterwegs mit Les Mads – Julia Knolle & Jessica Weiss

Heute stelle ich euch gleich zwei Bücher vor, die ich in der letzten Woche beim Gassigehen gelesen habe. Gefunden habe ich beide in einer „zu verschenken“-Kiste, die direkt neben meinem Hauseingang stand und da mir die Autorinnen jeweils ein Begriff waren, dachte ich mir, da greife ich doch mal zu! Im Nachhinein muss ich nun ehrlich gestehen, dass ich froh bin, für diese Bücher kein Geld ausgegeben zu haben, denn leider waren sie nicht sonderlich nach meinem Geschmack. Aber dazu jetzt detailliert mehr! Ich hoffe, ihr seid alle gut in den Mai getanzt!

Endlich! von Ildikó von Kürthy

Endlich! Ildikó von Kürthy

Worum geht’s Vera und Marcus versuchen seit Jahren ein Kind zu bekommen, doch es will einfach nicht klappen. Irgendwie dümpelt ihr Beziehung so dahin und als Vera zu ihrer Freundin Johanna nach Berlin muss, scheint ihr das eine sehr willkommene Abwechslung zu sein. Dort findet sie zufälligerweise heraus, dass ihr Mann sie schon einige Zeit zu betrügen scheint und kontert mit einem „ich erfinde mich neu und besser“-Programm mit Personal Trainer, Affären, neuer Arbeit und beginnt, ihren Mann zurückzuerobern.

Wie ist’s Das Buch Endlich! von Ildikó von Kürthy würde ich vom Cover her schon als typische Chic-Lit-Lektüre einordnen und auch die Autorin habe ich in dieser Ecke gespeichert. Und genau das bekommt man auch in kurzen Kapiteln und vielen Illustrationen, die ich so gar nicht passend gefunden habe. Wovon sollten die denn bitte ablenken? Sprachlich liest es sich leicht runter, es dümpelt wie die Beziehung von Vera und Marcus auch so vor sich hin und irgendwie fesselt es einen Null. Man fiebert nicht mit, fragt sich, was einem hier vermittelt werden soll (mein Mann betrügt mich und ich konfrontiere ihn nicht, sondern versuche mich so zu „verbessern“, dass er mich wieder will?) und zumindest ich fand hier vieles an dem gezeichneten Frauenbild fraglich. Das Ende kommt dann auch nicht sehr überraschend und man ist eher froh, dass es vorbei ist. Das Buch motiviert mich nicht, noch etwas von der Autorin zu lesen, obwohl ich in Erinnerung hatte, dass sie einen so elanvollen-lustigen Schreibstil haben soll – den habe ich hier vergeblich gesucht.

Modestrecke Unterwegs mit Les Mads von Julia Knolle & Jessica Weiss

Modestrecke Unterwegs mit Les Mads

Worum geht’s Der Blog Les Mads war wohl mit einer der ersten deutschen Fashionblogs, den ich regelmäßig gelesen habe und somit wollte ich schon ewig einmal Modestrecke: Unterwegs mit Les Mads lesen. Aber dann doch nicht so stark, dass ich es mir gekauft habe. Die beiden Bloggerinnen geben hier kurz Anekdoten zum Besten, wie sie ihren Stil gefunden haben, was ihre Modesünden waren, wie es mit dem Bloggen begann und was sie alles im Rahmen dessen erleben durften. Die Autorinnen wechseln sich in den sehr kurzen Kapiteln ab und geben einem so gleich zwei Perspektiven auf Mode und alles, was damit zu tun hat.

Wie war’s Leider irgendwie auch enttäuschend, die Kapitel streifen so an der Oberfläche herum, gehen aber auch nicht in die Tiefe. Dass man ein weißes T-Shirt haben soll, wird einem sehr oft erzählt und dann gibt es eigentlich nur kurz Berichte von ihren Reisen zu Modenschauen, die sich durch den Blog erleben konnten. Wirklich in die Materie „Bloggen“ gehen sie nicht, was ich mir gewünscht hätte, da dies doch gerade spannend ist. Dass man stattdessen von Interviews mit Stars liest, war irgendwie banal-langweilig und hat mich selbst nicht weitergebracht, meinen „Stil“ zu finden. Keine Ahnung, ob ich das Buch als Teenager besser gefunden hätte, jetzt habe ich es in vielleicht zwei Stunden runtergelesen, schon wieder in den öffentlichen Bücherschrank gebracht und in einiger Zeit werde ich mich an nichts mehr daraus erinnern können. Sehr, sehr schade, hier waren meine Erwartungen so weit weg von der Realität!

Ihr seht, es war der Wurm drin, aber ich hoffe, dass das mit den nächsten Büchern wieder anders wird. Positive Reviews schreibe ich nämlich lieber. Kennt ihr eines der Bücher und wenn ja, wi hat es euch gefallen? Von welchem Buch seid ihr zuletzt enttäuscht worden?

[Lesenswert] Dark Places – Gillian Flynn

Nachdem ich euch letzte Woche schon von Sharp Objects vorgeschwärmt habe, musste ich jetzt auch noch das letzte Werk von Gillian Flynn lesen, was mir noch gefehlt hat. Wobei ich am Ende wirklich etwas traurig war und hoffe, dass sie schon fleißig am nächsten Buch schreibt. Ich mag ihren fesselnden Schreibstil in Kombination mit unvorhersehbaren Wendungen und Frauenfiguren, die alles andere als grundsympathisch sind, nämlich einfach enorm gut leiden. Da mir auch Dark Places, ihr zweiter Thriller sehr gut gefallen hat, stelle ich ihn euch heute mal vor!

Dark Places Gillian Flynn

Worum geht’s Vor 25 Jahren erlebte Libby, wie ihre gesamte Familie auf bestialische Weise getötet wurde und half mit ihrer Aussage, ihren älteren Bruder Ben für dieses Verbrechen ins Gefängnis zu bringen. Seitdem hat sie ihr Leben nicht wirklich im Griff, versucht aus ihrer Opferrolle noch immer Kapital zu schlagen und gerät an eine Gruppe Kriminalfans, die sie für Nachforschungen bezahlen. Dabei wird Libby immer mehr bewusst, dass ihre Erinnerungen wohl nicht allzu sehr der Wahrheit entsprechen, eher von Psychologen und Polizisten konstruiert wurden und sie versucht, das Geschehen neu aufzurollen und Antworten zu finden.

Wie ist’s Wie die beiden anderen Bücher von Gillian Flynn hab ich auch Dark Places in zwei Tagen verschlungen. Wann immer ich ein paar Minuten hatte, habe ich es zur Hand genommen, da ich herausfinden wollte, was wirklich in besagter Nacht passiert ist. Die Hauptpersonen Libby und Ben werden sehr detailliert beschrieben, sie sind einem nicht sehr sympathisch, aber man kann ihr Handeln nachvollziehen. Durch das Springen der Handlung in die Vergangenheit und zurück in die Gegenart weiß man nie, was man im nächsten Kapitel erfährt und hat verschiedene Verdächtige zur Auswahl. Sehr gut gemacht ist auch der Perspektivenwechsel, mal ist man Libby, mal ihr Bruder, mal ihre Mutter und erfährt so als „allwissender“ Leser Dinge, die die anderen Personen nicht wissen. Sehr spannend, dieses langsame Vernetzen aller Handlungen im eigenen Kopf!

Das Ende kommt mit einem Überraschungsknall daher und ich war begeistert. Besser wie erwartet und so skurril, so lese sogar ich Thriller gerne. Der Schreibstil ist einfach gehalten, man liest die Kapitel rasch runter und kommt auch bei Unterbrechungen gleich wieder rein. Dieses Mal habe ich sie in der deutschen Übersetzung gelesen, da ich das Buch eben da hatte, davor habe ich sie im Original gelesen und kann euch das auch empfehlen. Für mich geht ja immer etwas verloren, wenn man die Sprache wechselt, wobei der/die Übersetzer/in hier einen guten Job gemacht hat.

Erneut bin ich einfach nur begeistert von Gillian Flynn, sie kann einfach hervorragend schreiben! Sie fesselt, führt einen auf falsche Fährten, bringt einen aber doch immer wieder zurück in die richtige Richtung. Man kann sich gut in die damalige Zeit und die Situation der Beteiligten versetzen und auch wenn man nicht direkt mitleidet, man fiebert doch mit und will aufklären, was in der Tatnacht wirklich passiert ist. 

[Lesenswert] Sterbenskalt – Tana French

Heute will ich euch den Kriminalroman Sterbenskalt von Tana French vorstellen, welcher wieder ein richtiger Glücksgriff aus dem öffentlichen Bücherschrank war. Wer zufällig in der Nähe von 64807 Dieburg wohnt, schaut mal am Rathaus vorbei, davor befindet sich diese Fundgrube nämlich 😉 In Berlin muss ich jetzt erst wieder auf die Suche gehen – wenn wer einen öffentlichen Bücherschrank kennt, verratet ihn mir doch!

Sterbenskalt Tana French

Worum geht’s Undercover-Agent Frank Mackey erhält einen Anruf von seiner Schwester, dass in seiner alten Nachbarschaft ein Koffer in einem Abbruchhaus gefunden wurde. Man glaubt, dass er seiner damaligen Freundin Rosie gehörte, die eigentlich mit ihm durchbrennen wollte, dann aber nicht am Treffpunkt erschien. An diesem Abend kehrte Mackey seinem damaligen Leben den Rücken zu und begann ein Leben als Polizist fern seiner kaputten Familie. Jetzt muss er allerdings zurückkehren nach Faithful Place, in der sein alkoholkranker Vater noch immer der Tyrann des Hauses ist und herausfinden, welche dunklen Geheimnisse in seiner Familie lauern. Was ist nur mit Rosie geschehen?

Wie ist’s Es ist der dritte Fall von Undercover-Agent Frank Mackey, wobei man die vorherigen Bücher nicht gelesen haben muss, um der Geschichte folgen zu können. Alle Infos, die man von früher braucht, werden einem nämlich auch in diesem Band berichtet und man kann der plausiblen Handlung gut folgen. Der Roman ist sehr fesselnd, die über 500 Seiten habe ich an drei Abenden gelesen und wollte es nicht mehr aus der Hand legen. Frank Mackey ist jetzt nicht unbedingt die sympathischste Person, aber man fühlt mit ihm, da man versteht, wieso er ist, wie er ist. Seine dysfunktionale Familie mit all den verschiedenen Beziehungen der Geschwister ist sehr spannend, man weiß nie, wer eigentlich „der Gute“ ist oder ob es ihn überhaupt gibt. Die Ermittlungen sind spannend, die Rückblenden sehr hilfreich und auch die Beziehung von Mackey zu seiner Tochter und seiner Ex-Frau sind der Geschichte zuträglich. Für mich insgesamt ein sehr schlüssiger, spannender Krimi, der nur zum Ende hin etwas schwächelt – hier hätte die Autorin noch etwas kreativer sein dürfen und ein paar mehr Seiten schreiben dürfen.

Habt  ihr schon ein Buch von Tana French gelesen? Ich hatte die Autorin bisher noch gar nicht auf dem Schirm, würde mir ein weiteres Werk von ihr aber sofort schnappen, wenn ich es sehen würde. Müsste ich es in Amazon-Sternchen bewerten, würde ich 4 von 5 geben!

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