Ich soll fuer eine befreundete Autorin eine Kurzgeschichte schreiben, tue mir damit aber mehr als schwer. Sie soll um Indien gehen, um Veraenderung, aber ich mag kein esoterisches blabla ich habe mich gefunden Zeug schreiben, sondern irgendetwas anderes..und da ich nun schon seit fast einer Woche dumm auf ein leeres Blatt, naja gut, ein leeres Worddokument starre, habe ich nun einfach mal irgendetwas indienrelevantes angefangen (sind gerade mal 1000 Worte und in keinster Weise ausgereift) und einfach mal kurz runtergeschrieben. Die Schreibblockade soll durchbrochen werden. Nur ist jetzt 3 Uhr, ich bin muede und werde somit heute nicht mehr weitermachen 😉

Wie lange diese Mauer hier wohl schon steht? Und wie lange sie wohl noch stehen bleiben wird bezieht man die beachtlichen Risse in diese Überlegung mit ein, welche an der gesamten Wand entlang laufen. Sie bilden ein feines, Bewegung bringendes Muster und lassen meine Gedanken an ihnen entlang wandern. Einem bereits vorgezeichneten Weg zu folgen, ist ja doch immer einfacher, als einen neuen zu erschaffen. Man muss ihn immer wieder gehen und mit Kraft und Willen auf ihn eintreten, um der Natur einen Stempel zu verpassen. Wobei, gerade habe ich Lust, dieser Wand meinen eigenen Weg aufzudrücken, einen Hammer zu nehmen und einen Riss oder sogar ein kleines Loch hinein zu schlagen. Doch im Grunde kann dieses nicht gerade majestätische Bauwerk indischer Handwerker nichts für die Gesamtsituation, nein, hier bin ich ganz allein die Schuldige. Oder ich und die Außenwelt – ich gebe doch gerne etwas Schuld ab, wenn ich auch nicht an Schicksal, Fügung oder dergleichen glaube. Aber dennoch wäre dies der einfachere Weg mit allem hier klar zu kommen. Um meine wirren Gedanken zu betäuben oder wenigstens etwas zu besänftigen, zünde ich mir eine weitere Bidi an und inhaliere bewusst. Der Straßenlärm – primär enorm nervendes Hupen der Rikschas – dringt erneut in dieses Innenhof, in meinen kleinen Käfig ein. Der Plastikstuhl unter mir verschmilzt langsam mit mir; auch in dieser lauen Nacht sind es noch über 30 Grad und der Schweiß läuft mir gemächlich an der Wade entlang. Es gibt diesen einen Moment, in dem man aufhört, daran zu denken, dass man immer schwitzt. Es wird einfach normal. Alltag. Wie so vieles andere auch. Aber anstatt dies einfach zu akzeptieren, liegt es doch in der menschlichen Natur dagegen anzukämpfen und den Ist-Zustand wieder in den Soll-Zustand zu transformieren. Wer will – banal gesprochen – schwitzen, wenn er es auch nicht tun kann. Ebend! Also machen wir alles nur Mögliche, um unser Soll zu erreichen. Und doch versuche ich, die Situation zu akzeptieren, mich nicht zu bewegen, alles einfach geschehen zu lassen. Ich will aussteigen, existieren ohne wirklich partizipieren zu müssen und doch, irgendwann muss ich den Tropfen mit meinem Fuß stoppen. Da eine Bewegung diesen Zustand des Nichtexistierens zerstört, nutze ich den Moment, um mir eine weitere Bidi anzustecken und wieder abzutauchen.
Skurrile Gedanken, welche mir durch den Kopf schwirren in der für indische Verhältnisse klaren Delhier Nacht. Akzeptieren oder Kämpfen. Wieso gibt es nur ein entweder oder. Und wieso habe ich aufgegeben. Allerdings aufgegeben ohne zu akzeptieren. Aber kämpfen kostet Wille, und ja – mein Wille ist einfach verloren gegangen auf dieser Reise zu mir selbst. Wobei es das gar nicht werden sollte. Indien sollte mir keine Erleuchtung bringen, kein Finden meines wahren Selbsts – nein, ich wollte einfach nur wissen, wie es ist. In einem anderen Land zu leben mit dem Mann, von dem ich dachte, ‚hey, das isser. Der soll mein Leben begleiten’. Stattdessen hat Indien mir sehr viel über mich gezeigt, es hat mich verändert, wobei ich nicht sagen mag, ob positiv oder negativ. Wohl beides irgendwie. Leben in Indien ist anstrengender als in Deutschland. Woran genau das liegt, kann ich nicht an ein, zwei Faktoren festmachen. Auch nicht an zehn oder dreißig. Aber der Innenhof hier hat mich definitiv geändert. Er wurde zu meinem Zufluchtsort. Nicht wegen Indien. Sondern, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe in der Wohnung. Denn da war er. Genau wie in Indien. Und das sollte so nicht sein. Nein, mein Plan sah ganz anders aus und es tat weh, sehr sogar, diese Pläne aufzugeben und in Indien zu sein. Aber nun gut, man kann sich ja nicht aussuchen, wann man sich wo trennen muss. Und wer weiß, vielleicht hätte ich anderswo nie gemerkt, dass das alles nicht funktioniert. Indien war und ist somit nicht nur anstrengend – nein, es ist verantwortlich für eine enorme Veränderung nicht nur in mir, sondern in meinem ganzen weiteren Leben. Ich bereue es nicht, ich werfe es Indien nicht vor, ich akzeptiere es und denke, dass es im Grunde das Richtige war. Wobei all das nur aus einer spontanen Idee heraus kam.
Spontaneität ist eine meiner ‚core values’ würde ich sagen. Zum Glück, denn in Indien muss man dies sein. Und geduldig sowie nicht bedacht darauf, dass alles zum genau vereinbarten Zeitpunkt gemacht wird. Das ist halt so. Accha hai. Nachdem mein Ethnologiestudium fast fertig war und ich mich hauptsächlich mit Indien beschäftigt hatte, wurde es Zeit, dass ich das Land selbst auch mal sehen würde. Ich wollte nicht mehr darüber lesen, ich wollte hinfliegen und alles sehen, riechen, schmecken, fühlen. Die Andersartigkeit war mir bewusst, einen Kulturschock hielt ich für ausgeschlossen und nach den ersten drei Wochen fühlte ich mich assimiliert. Fehler: Goa ist nicht Indien. Ok, jeder andere einzelnen indische Bundesstaat ist auch nicht Indien, die Gesamtheit macht es aus – aber Goa ist schon etwas sehr spezielles, was vor allem an der schon frühen portugiesischen Eroberung liegt. Die Menschen hier waren sehr gewohnt an Touristen, alles war auf ebendiese ausgelegt und naja, es fühlte sich mehr nach Urlaub als nach Dort-Leben an. Delhi war nun etwas ganz anderes. Es kostete mich wirklichen Willen, das Haus zu verlassen. Alleine war unmöglich. Zumindest vorerst. Später (nach so zwei Monaten) ging das tagsüber problemlos, nur abends war weiterhin tabu. Und so begann das Dilemma: ein Teil meiner Unabhängigkeit, auf die ich soviel Wert legte, ging verloren. Ich musste sie abtreten an mein Gewissen, welches mir sagte, wie unsicher und schwachsinnig es doch sei, alleine nachts durch Delhis Strassen zu schleichen. Und, obgleich ich eine recht unvernünftige Person bin, dies leuchtete mir ein. So saß ich abhängig im Zimmer herum und hatte ein Problem. Meine Exekutive wollte nicht. Glücklich von billigem Bier, billigen Zigaretten und noch billigerem Haschisch lungerte sie vor dem PC und tat dasselbe wie in Deutschland. Doch genau das wollte ich doch nicht. Unser Wohnzimmer war nicht Indien. Es war nur ein Raum, welcher auch in jedem anderen Teil der Erde existieren könnte.