Da ich ein paar Fragen zu dem Thema „wie ist die aktuelle Geldsituation in Indien“ bekommen habe, dachte ich mir, ich schreibe mal ein paar Worte dazu. Bestimmt haben die meisten von euch am Rande mitbekommen, dass am 9. November letzten Jahres mitten in der Nacht eine Erklärung von Premierminister Narendra Modi verlesen wurde, in der alle 500 und 1000 Rupienscheine als ungültig erklärt wurden. Jupps, die Nacht, wo jeder den CNN-Livestream mit den schlimmen US-Wahlen sah 😉 Ich war zu diesem Zeitpunkt zum Glück noch in Deutschland und hatte 6 Tage Zeit, mich diesem Chaos zu stellen.

Durch diesen Hauruck-Schritt war von einem Tag auf den anderen nun 85% allen Bargeldes in Indien ungültig. Um diesen Schritt nicht vorher „durchsickern“ zu lassen, waren die neuen 500er und 2000er Scheine noch nicht gedruckt worden und somit stand ganz Indien jetzt vor dem Problem, dass es nicht genug Geld gab. Das resultierte in ewig langen Schlangen vor den Banken, Chaos, Gewalt, sogar Toten und alles ging drunter und drüber. Die alten Geldscheine konnte man zu einem gewissen Tageslimit umtauschen (wenn es denn Wechselgeld gegeben hätte, aber so viele 100er Scheine sind einfach nicht im Umlauf) oder auf sein Bankkonto einzahlen. Als Tourist war man hier total aufgeschmissen, man hatte kein oder ungültiges Bargeld.

Ich landete am 16.11 morgens komplett ohne indisches Bargeld in Delhiin Deutschland kann man seine Euro nämlich nicht in Rupien eintauschen. Weder bei der Bank noch bei Wechselstuben bekommt man es und somit war mir doch etwas ungut zumute (als ich das letzte Mal in Indien war, durfte man das Geld auch nicht ausführen, somit hatte ich keine Reste mehr, zumindest ein paar kleine Scheine wären tröstlich gewesen). Ich lief zunächst an zwei Wechselstuben im internationalen Bereich vorbei, die Schilder aufgestellt hatten, dass sie kein Geld hatten. Dann probierte ich diverse Geldautomaten, die aber alle leer waren oder einfach nicht funktionierten. Um meinen Weiterflug nach Varanasi zu kriegen, musste ich das Terminal wechseln und dort gab es dann zwei Wechselstuben, die ein wenig Bargeld hatten. Man durfte pro Person aber nur 50€ maximal umtauschen, die Schlangen waren ewig, ständig stürzte das System ab und die Mitarbeiter mussten ständig weg und neues Geld holen. Ich hatte vier Stunden bis zum Weiterflug und diese verbrachte ich dort in einer sehr gestressten Menschenmenge.

Wenn man jetzt denkt, ach dann bezahle ich mit Kreditkarte, der war man noch nicht in Indien. Denn so sehr das einem von allen Seiten nahegelegt wird, es ist oftmals schlicht unmöglich (die Regierung wirbt mit bargeldlosem Bezahlen via App, die aber an ein indisches Konto gebunden ist). Die Rikscha, das Trinkwasser am Kiosk, das Obst vom Markt oder das Essen im Restaurant kann man nicht mit Karte bezahlen und somit kommt man im worst case scenario nicht einmal vom Flughafen weg. Mich holte zum Glück ein Freund ab, da musste ich meine umgetauschten 50€ (zu einem so miserablen Kurs übrigens, dass sie noch 34€ wert waren) noch nicht anbrechen. In Varanasi erwartete mich dann im Hostel die Tatsache, dass man nicht mit Kreditkarte zahlen kann, da das System komplett überlastet ist und somit nicht mehr funktionierte. Da wollte ich mich schon mit den 5% mehr anfreunden, wenn ich mit Karte bezahle, konnte es dann aber nicht tun.

Die ersten Tage vor Ort waren echt nicht schön, man kann zwar ein paar Tage von 34€ leben, es fühlt sich aber echt nicht gut an, wenn man nicht weiß, ob/wann man an Bargeld kommt. Mitte November waren die meisten Geldautomaten im Inneren von Varanasi geschlossen oder funktionierten nicht und die wenigen, die gingen, hatten wirklich enorm lange Schlangen. Dass man auch nur 2000 Rupien am Tag (also 28€) als Tageslimit pro Karte abheben konnte, hat die Sache nicht besser gemacht. Denn man hat teilweise 2-3 Stunden dort gewartet (in absolut schlimmer Atmosphäre, die sehr aggressiv-angespannt war, da das Geld aus dem Automaten ja jederzeit alle sein konnte) und bekam dann so wenig Geld. Normalerweise sind viele Touristen zu dieser Zeit in Varanasi, jetzt allerdings sah man kaum jemanden. Die meisten hatten ihre Flüge gecancelt und ganz ehrlich, ich konnte sie verstehen. Da keine Verbesserung in Sicht war, buchte ich mir schließlich zehn Tage später den einzigen Direktflug ins Ausland und verbrachte ein wenig über drei Wochen in Thailand.

Ich hoffte, dass sich die Lage bis zu meiner Rückkehr vor Weihnachten entspannen würde, zumindest Modi hatte angekündigt, dass bis zum Ende des Jahres alles überstanden sei. Mittlerweile muss ich sagen, dass das nicht so ist. Noch immer laufe ich an mehr nichtfunktionierenden wie funktionierenden Automaten vorbei. Aber man kann wieder auf Wechselstuben (mit schlechten Kursen) oder Western Union zurückgreifen, denn zumindest diese haben wieder genug Bargeld. Ich hatte die Woche Glück, ich fand einen komplett menschenleeren ATM und einen unmotivierten Sicherheitsbeamten, wodurch ich meine Karte fünf Mal hintereinander nutzen konnte. Das momentane Tageslimit von 4500 Rupien (man kriegt nur 4000, da kein Automat 500er Scheine zu haben scheint) wäre aber auch sonst schon um einiges besser. Zum Glück bezahle ich bei der DKB mit meiner Karte keine Abhebungsgebühr, das wäre sonst nämlich auf Dauer auch teuer geworden.

Ein wenig mehr Touristen sind jetzt zwar unterwegs, aber es ist trotzdem noch gähnend leer überall. Wenn man nicht weiß, wann man wieder an Bargeld kommt, hat man auch keine große Lust, Dinge zu kaufen und darunter leiden die Leute hier sehr. Egal ob Schmuckverkäufer oder Rikschafahrer, alle haben die letzten Woche nicht genug Geld verdient und so wird man jetzt noch häufiger angesprochen. Ebenso in den Restaurants, es sind nicht viele Menschen da und man isst eher das Nötigste, denn das man sich mal etwas gönnt. Besonders die Farmer haben riesige Verluste gemacht, konnte ihre Ernten teilweise nicht verkaufen und ach..man trifft verdammt viele Menschen, denen diese ganze Aktion schwer zugesetzt hat. Sinn davon war übrigens, das viele Schwarzgeld, was herumliegt, aufzuspüren, Steuerhinterzieher zu finden..irgendwelche „Erfolge“ diesbezüglich wurden von Modi in seiner Neujahrsrede allerdings nicht präsentiert. Verlierer sind wie so oft die armen Menschen, die kein Bargeld hatten in den letzten Wochen (und ewig zur Bank unterwegs waren), die ihre Jobs verloren, da sie nicht bar bezahlt werden konnten und auch für den Tourismus war das absolut keine gute Idee. Wurde die Demonetarisierung von vielen Indern zunächst noch sehr positiv angenommen, hat sich das mittlerweile geändert und sehr viele sind unglücklich mit dem gesamten Ablauf und hoffen, dass bis Ende Januar endlich wieder überall Bargeld verfügbar ist. Ich bin ja sehr gespannt, wie sich dieser Schritt auf die Wahlen auswirken wird.

Persönlich habe ich jetzt zwar genug Bargeld für den letzten Monat, wenn ich sparsam lebe, aber das kleine Problem, dass ich fast nur 2000er Rupienscheine habe, mit denen ich noch immer kein Wasser für 20 Rupien oder mein Mittagessen für 100 Rupien bezahlen kann. Man muss immer etwas teureres erwerben, um den Schein kleinzukriegen (wenn es denn genug Wechselgeld gibt), was nervt und auch wieder umständlich ist – aber ich höre auf zu meckern, ich habe immerhin Geld.

Als Tipp würde ich euch geben, dass ihr zunächst am Flughafen probiert, so viel Geld aus dem Automaten zu kriegen wie geht, das müsste mittlerweile wieder funktionieren. Wenn nicht, lasst euch dort (auch zu dem miesen Kurs, nicht bei Thomas Cook, sondern der anderen Wechselstube, die weniger Kommission nimmt) etwas Geld umtauschen, denn man will den Urlaub ja nicht auf der Suche nach Geldautomaten verbringen. Zur Lage in Delhi kann ich nämlich leider nichts sagen, da ich noch nicht dort war, aber hier in Varanasi muss man noch immer nach offenen, funktionierenden und mit Geld bestückten Automaten suchen. Solltet ihr die Tage herkommen, kann ich euch gerne meinen (hoffentlich noch immer intakten) Glücksgriff zeigen, keine Schlange kann ich allerdings nicht versprechen.

Insgesamt eine sehr interessante Erfahrung, die ich nie im Leben erwartet hätte und jetzt auch nicht noch einmal bräuchte. Kaum Geld zu haben und keine Ahnung, wann man wieder welches kriegt, ist nämlich wirklich keine angenehme Situation und ich bin sehr dankbar, dass ich so privilegiert bin, dass ich mir einfach ein Flugticket aus der Misere kaufen konnte. Es hat zwar mein gesamtes Budget gesprengt, aber dafür habe ich jetzt auch einmal Thailand gesehen und mir dort immerhin keine Gedanken um Bargeldnachschub machen müssen. Seid ihr schon einmal in solche einer Situation oder sogar in letzter Zeit in Indien gewesen? Sind eure Erfahrungen ähnlich der meinen aus Varanasi?

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