Das Cover von Evil Eye von Etaf Rum hat mich einfach magisch angezogen und nachdem ich kurz überflogen hatte, worum es geht, war klar, dass es mit mir nach Hause kommen muss. Bereut habe ich diese Impulshandlung absolut nicht, denn schon nach den ersten Seiten war mir klar, dass ich dieses Buch erst aus der Hand legen werde, wenn ich es in einem Rutsch durchgelesen habe!
Worum geht’s
Yara, geboren und aufgewachsen in Brooklyn, ist verheiratet, hat zwei Töchter und arbeitet an einem amerikanischen College, in welchem sie eigentlich Kunst unterrichten will, aber primär nur administrative Aufgaben erhält. Nachdem sie auf eine rassistische Aussage ihrer Kollegin bezüglich ihrer palästinensischen Herkunft reagiert, wird sie suspendiert und ihre Welt beginnt, Risse zu bekommen..welche durch ihre traumatische Kindheit und ihrer Erinnerung daran, immer größer zu werden scheinen..ihre Mutter sagte, dass sie verflucht sei und Yara beginnt, auch daran zu glauben.
Wie ist’s
Werde ich nun jedes Buch lesen, welches von Etaf Rum geschrieben wurde? Aber sowas von ja! Der Schreibstil ist fesselnd, aufregend und hat mich sofort in seinen Bann gezogen, genau wie ihre Charaktere sofort meine Empathie bekommen haben. Man hofft, dass Yara all diese schlimmen Erlebnisse in ihrem Leben nutzen kann, um ihre und die Zukunft ihrer Familie für alle Beteiligten positiver zu gestalten, doch gleichzeitig merkt man, welche enormen Hürden sie zu überwinden hat.
Das Aufwachsen in einer palästinensischen Familie in den USA war ein neuer Kosmos, über den ich bisher wenig gelesen habe. Viele der Traditionen und Denkweisen waren mir neu und somit super interessant, gleichzeitig gab es aber auch einige Dinge, die man eher negativ schon aus anderen Lebenswelten kennt (traditionelle Familienvorstellungen, Rollen, Schwiegermutter, Ansehen..und natürlich EHRE). All diese alltäglichen Momente fand ich sehr gut beschrieben, sei es die Vorbereitung des Abendessens oder die Gespräche zwischen Yara und ihrer Schwiegermutter. Dass Yara sich immer wieder fragt, ob diese Monotonie – Arbeit, Kinder, Haushalt, schweigendes Fernsehen mit dem Ehemann – alles ist, wodurch man glücklich sein soll und sie mehr eine Rolle zu spielen scheint, statt ihr Leben zu leben, wird wahnsinnig gut in diesem Buch dargestellt.
Gleichzeitig ist das Buch aber einfach harte Kost, da es viel um häusliche, physische und psychische Gewalt zwischen Eltern aber auch zwischen Eltern und Kindern geht. Das, gepaart mit dem vererbten Trauma von Vertreibung, Flucht und Krieg sowie Fragen nach der eigenen, amerikanisch-palästinensischen Identität macht mit Yara und ihrer Familie viel und hat schwerwiegende Konsequenzen für ihre Realität und Zukunft. Diesen Teufelskreis versucht Yara zu durchbrechen und sich ihre Macht und Freiheit als Frau und Mutter zurückzuholen, die sie all die Jahre verloren zu haben scheint.
Mehr will ich nicht verraten, aber für mich war das ein 5/5 Buch, da hier einfach alles stimmte, auch wenn ich am Anfang eine sehr andere Geschichte mit Schwerpunkt auf die Suspendierung erwartet habe. Stattdessen ging es hier viel tiefer, es gab verschiedene Generationen, Zeitebenen und tiefe Einblicke in Abgründe, die teilweise enorm schmerzhaft waren. Aber gleichzeitig konnte ich das Buch durch den fesselnden Schreibstil nicht aus der Hand legen, habe Yara die ganze Zeit die Daumen gedrückt, dass sie eine bessere Zukunft gestalten kann und freue mich nun schon sehr, bald wieder etwas von Etaf Rum zu lesen. Denn juhu, sie hat noch zwei weitere Bücher geschrieben 🙂