Was für eine Woche. Lag ich letzten Freitagmorgen noch auf meiner Liege mit Meerblick in Panama, ist seither wirklich eine Menge passiert. Da ich mich seit meiner Rückkehr nach Deutschland brav an alle social distancing-Regeln halte und noch keinen meiner Freunde gesehen habe (nach all den Flugzeugen & -häfen, die ich besuchen musste), nutze ich die viele Zeit zuhause nun, um meinen „noch zu lesen“-Bücherstapel abzuarbeiten. Da sind über achtzig Bücher drauf, also ich habe genug zu tun für die kommenden Wochen.
Der Roman Chuzpe von Lily Brett liegt seit ACHT Jahren bei mir, da gewann ich ihn nämlich zum Welttag des Buches und ja, ich habe es nie hingekriegt, ihn zu lesen. Was wirklich einfach nur schade ist, denn die Story hat mich definitiv angesprochen. 1,5 Tage in Quarantäne später und wir sind durch!
Worum geht’s Ruth hat ein schönes Leben in New York, ist in einer (meist) glücklichen Beziehung, hat erwachsene, gesunden Kinder, gute Freundinnen und leitet ihre gut funktionierenden Firma. Jetzt ist auch noch ihr 87-jähriger Vater Edek von Melbourne hergezogen, welchem sie einen angenehmen Lebensabend bereiten mag. Doch davon will ihr auf englisch und jiddisch kauderwelschender Papa gar nichts wissen; erst bringt er durch seine Hilfe etwas Chaos in ihr Berufsleben, danach beschliesst er, gemeinsam mit zwei polnischen Freundinnen ein Restaurant zu eröffnen. Dass das Klops-Imperium nur scheitern kann, davon ist Ruth überzeugt, wird nach und nach aber einem Besseren belehrt – denn wo ein Edek, da eine grandiose Idee!
Wie ist’s Hach, einfach nur gut für’s Herz und genau, was ich nach all der Aufregung gebraucht habe. Die Story ist leicht, plätschert so dahin, ohne das man sich beim Lesen groß anstrengen muss und man gewinnt die Charaktere, besonders natürlich Edek, einfach nur lieb. Die kleinen Dramen stellen sich als gar nicht so schlimm heraus und die sich verändernde Tochter-Sohn-Beziehung wird sehr schön beschrieben.
Das Buch ist amüsant, manchmal muss man laut lachen und unterhält mit seinen teils sehr skurrilen Wendungen einfach gut. Wir haben mehrheitlich Leichtigkeit, welche aber doch ab und zu in die Tiefe geht und zeigt, dass man Menschen nicht versuchen sollte, zu ändern, sondern sie so zu nehmen, wie sie eben sind. Eben diese richtig gute Mischung aus fesselnder Stroy (wie geht es mit dem Restaurant aus?) und unterschwelliger Moral (Ruth und ihre Vorstellung von Edeks Leben).
Auch wenn polnischer (Fleisch-)Klops nichts ist, was ich essen würde, fand ich den kulinarischen Einblick sehr spannend. Zofia, unsere 69-jährige kreative Köchin und später auch Edeks Partnerin hat definitiv ein Händchen für ausgefallene Rezepte, welche nicht nur im Buch, sondern zum Nachkochen sogar am Ende genau beschrieben werden. Fand ich – ebenso wie den Einblick in die jüdische Küche – super interessant und die vegetarischen Varianten klangen definitiv nach etwas, was ich sofort im Restaurant bestellen würde.
Ich habe es jetzt schon an Mama weitergegeben, was zeigt, wie sehr ich das Buch mochte und werde es danach in den öffentlichen Bücherschrank bringen (denn noch einmal werde ich es wohl doch nicht lesen). Von Lily Brett würde ich aber sofort noch etwas lesen, sollte ich einmal darüber stolpern..aber bis dahin mache ich mich weiter daran, meinen Bücherstapel hier zu verringern!