Schlagwort: Buchbesprechung

[Lesenswert] Keya Das’s Second Act von Sopan Deb!

Beim Durchstreifen der englischen Büchersektion in der Bibliothek blieb mein Auge schnell an dem Cover von Keya Das’s Second Act von Sopan Deb und nach dem Überfliegen des Klappentextes war mir schnell klar, dass dieses Buch mit mir nach Hause muss. Dort habe ich es dann an einem Tag durchgelesen und habe somit heute wieder eine Buchempfehlung für euch!


Worum geht’s

Das Leben der Familie Das gerät nach dem Outing ihrer jüngsten Tochter Keya als lesbisch und ihrem anschließenden Tod (oder war es Selbstmord?) gehörig aus den Fugen. Shantanu, der Papa, lebt isoliert von der bangladeschischen Gemeinde in New Jersey, da sich seine Frau Chaitali von ihm hat scheiden lassen und das etwas ziemlich seltenes (und nicht unbedingt befürwortetes) ist. Außer seiner Mutter hat er kaum noch ein Sozialleben und igelt sich in dem ehemaligen Familienwohnsitz ein. Mit seiner älteren Tochter Mitali hat er ebenfalls schon seit Monaten nicht mehr gesprochen und als sich der Todestag von Keya zu jähren naht, beginnt er, aufzuräumen.

Auf dem Dachboden entdeckt er eine Kiste mit handschriftlichen Notizen, die sich als ein gemeinsam mit Pamela, Keya’s Freundin, geschriebenem Theaterstück entpuppen und Shantanu bekommt eine Idee, wie er das Leben seiner Familie und sich wieder in normale Bahnen lenken und sie alle einen Weg durch ihre Trauer finden könnten.

Wie ist’s

Die ersten Seiten zogen sich etwas, aber dann zog die Geschichte mich in ihren Bann und ich wollte einfach wissen, wie es weitergeht. Die einzelnen Charaktere sind wunderbar entworfen, man bekommt viele verschiedene Einblicke in das Leben der bangladeschischen Gemeinde in den USA und das aus der Perspektive verschiedener Generationen. Persönlich lese ich schon seit über einem Jahrzehnt primär indische Autoren und war somit glücklich, endlich auch mal wieder etwas aus Bangladesch und ihrer Diaspora zu erfahren.

Die Geschichte ist streckenweise sehr traurig, wird aber auch immer wieder durch einige lustige/skurrile Situationen aufgelockert. Was manchmal an den (kulturellen) Missverständnissen liegt, aber auch daran, dass sich die Charaktere aus ihrer comfort zone hinausbewegen müssen und das wunderbar nachvollziehbar machen (ich sehe mich z.b. beim Schauspielunterricht ähnlich agieren). Es wird die eigene Rolle immer wider reflektiert und geschaut, ob man das eigentlich ist/sein will oder sie nur von außen, der Familie und der Gesellschaft zugeschrieben bekommt. Es macht Freude, den einzelnen Charakteren beim Ausbrechen aus diesen Normen zuzuschauen!

Durch die Notizen der beiden Mädchen bekommt man Rückblicke auf ihr gemeinsames Leben und ihre Träume, wodurch wir hier auch einen coming of age Roman haben. Aber eben nicht nur, da es um die Themen Trauerbewältigung und Weiterleben nach dem Tod eines geliebten Menschen geht, um Reue, aber auch Liebe und der Frage nach der eigenen Zugehörigkeit, was die Geschichte sehr komplex und spannend gemacht ist, da jede Person anders damit umgeht.


Mir hat Keya Das’s Second Act sowohl thematisch als auch von der Schreibweise sehr gut gefallen und ich war nach kurzer Zeit schon gefesselt und konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Trotz der nicht gerade leichten Kost ist es definitiv ein Werk, welches ich euch für den Urlaub empfehlen kann bzw wenn ihr wirklich einen freien Tag habt, an welchem ihr euch in das Buch vertiefen und alles um euch herum vergessen könnt.

Sopan Deb hat leider nur noch ein weiteres Buch, Missed Translations, welches es hier in der Bibliothek nicht gibt, aber ich habe es mal auf meinen Wunschzettel gepackt 🙂 Dass da immer noch Sachen von 2007 draufstehen, ist auch so eine Baustelle für sich, aber ich komme einfach nicht hinterher – und da ich neugierig bin, wie sehen eure Wunschzettel so aus?

[Lesenswert] People we meet on vacation von Emily Henry!

Nach einigen sehr tiefen, mich nachhaltig beschäftigenden Büchern wurde es mal Zeit für einen easy read, also ein Buch, welches man ohne viel Nachdenken nebenbei genießen kann. Da kam mir People we meet on vacation von Emily Henry gerade recht und da viele Rezensionen online sehr positiv von ihren Büchern sprachen, war ich gespannt!


Worum geht’s

Poppy und Alex lernten sich zu Beginn ihres Studiums kennen und verbringen eher zufällig ihre ersten Ferien zusammen, da sie aus derselben Stadt kommen. Daraus ergibt sich die Tradition eines gemeinsamen Sommerurlaubs zweier Freunde, die nicht unterschiedlicher sein könnten und sich trotzdem oder genau deswegen so gut verstehen. Poppy lebt mittlerweile als erfolgreiche Travel-Autorin in New York, Alex arbeitet in ihrer Heimatstadt als Lehrer und doch verbindet die beiden weiterhin eine Freundschaft, die sie ihre gemeinsamen Urlaube zelebrieren lassen. Bis es zu einem Vorfall kommt, der ihre Beziehung zueinander nachhaltig verändert.

Wie ist’s

Genau, was ich erwartet habe, eine leichte Sommerlektüre, die meist sehr offensichtlich ist, aber doch ein paar kleine Überraschungen in petto hat und durch die verschiedenen Zeitebenen und Urlaubsorte spannend bleibt. Keine „noch nie dagewesene“ Geschichte in einem neuen Setting, aber man mag die Charaktere und will wissen, wie es am Ende ausgehen wird. Teilweise war es zu Beginn etwas langatmig und zäh, aber ich habe mich durchgekämpft und das Buch dann doch innerhalb von zwei Tagen beendet.

Dass es so gehyped wurde, verstehe ich nicht, da es für mich nichts Besonderes ist – aber vielleicht hätte ich auch Beach Read von der Autorin lesen sollen, welches noch mehr gelobt wird. Hier bekommt ihr eine gute Laune Lektüre für nebenbei im Bus oder im Urlaub, nichts was einen im Inneren erschüttert, sondern eben so daher plätschert und einen kurzfristig mitnimmt. Wirklich in Erinnerung bleiben, wird mir das Buch nicht.

Persönlich hat mich People we meet on vacation nicht überzeugt, mehr von Emily Henry lesen zu wollen, wobei ich auch denke, dass sie sich eher an sehr junge Menschen richtet und diese mit ihrem Schreibstil besser fesseln kann. Ich muss mich absolut nicht mit den Charakteren identifizieren, um ein Buch genießen zu können, hier waren mir aber irgendwie alle Beteiligten egal, was ein bisschen traurig ist.


Ich wollte ein seichtes Buch, ich bekam ein seichtes Buch und bin trotzdem nicht glücklich. Es liegt also wirklich an mir und nicht an dir und ich merke, dass ich im Moment wohl einfach keine Lust auf die leichte Sommerlektüre habe – also, packen wir das wieder an! Habt ihr dieses oder ein anderes Buch von Emily Henry gelesen?

[Lesenswert] ABC-Challenge 2023 – 1. Update!

Wie schon die letzten Jahre habe ich mir erneut vorgenommen, mich einmal durchs Alphabet zu lesen und nehme euch auf meine ABC-Lesechallenge 2023 wieder gerne mit. Die ersten Wochen habe ich in Finnland verbracht, was sich auch auf mein Leseverhalten ausgewirkt hat – denn meinen verdammt hohen SUB (Stapel ungelesener Bücher) konnte ich in meinem Koffer nicht mitnehmen. Wobei es trotzdem glaube ich fünf Bücher aus der Heimat geworden sind und ich mich dann hier vor Ort in der Bibliothek nach englischsprachigen Büchern umgesehen habe, da ich dank eines gebrochenen Zehs dann mehr Lesezeit hatte. Wodurch ich doch das ein oder andere Mal aus meiner Comfortzone treten durfte, juhu! 🙂

Zwischenstand: 11 von 26 Buchstaben „gelesen“


Alle singen im Chor – Leena Lehtolainen (klick)

Architect’s Apprentice, The – Elif Shafak (klick)

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Billy Summers – Stephen King (klick)

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C

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Dear Edward – Ann Napolitano (klick)

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E

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F

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Geronimo – Leon de Winter (klick)

große Los, Das – Meike Winnemuth (klick)

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Home Body – Rupi Kaur (klick)

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Island of missing trees, The – Elif Shafak (klick)

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J

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Keya Das’s Second Act – Sopan Deb (klick)

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Lemonas Geschichte – Ken Saro-Wiwa (klick)

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M

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No country for eight-spot butterflies – Julian Aguon (klick)

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O

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Pachinko – Min Jin Lee (klick)

Pandora – Susan Stokes-Chapman (klick)

People we meet on vacation – Emily Henry (klick)

Pfau, Der – Isabel Bogdan (klick)

Planetenwanderer – George R.R. Martin (klick)

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Q

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R

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S

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Ten Minutes 38 Seconds in this strange World – Elif Shafak (klick)

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U

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V

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W

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X

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Y

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Z


Irgendwie haben sich die Titel alle um das P versammelt, schaut mal! Geworden sind es im ersten Update nun 11 Buchstaben und 17 Bücher, dabei alleine 5 mit dem Anfangsbuchstaben P 😉 Spaß hatte ich bei eigentlich allen Büchern, einige waren sehr weit weg von meinen „normalen“ Lesewerken, aber es ist doch immer wieder gut, über den Tellerrand zu schauen. Besonders begeistert bin ich von der Autorin Elif Shafak und bin so froh, noch viiiiiiel mehr von ihr lesen zu können!

Rot markiert sind die Buchstaben, mit denen ich in den letzten Jahren am meisten Probleme hatte und ihr seht, das wird wohl auch dieses Jahr erneut der Fall sein! Aber ich gebe nicht auf und freue mich schon auf soooo viele Bücher, die schon darauf warten, von mir gelesen zu werden!


Macht auch jemand von euch bei einer Lesechallenge mit? Wenn ja, wie läuft es bei euch und was lest ihr aktuell gerade?

[Lesenswert] The Architect’s Apprentice von Elif Shafak!

Nachdem ich schon zwei Bücher von dieser genialen Autorin verschlungen habe, musste als nächstes noch The Architect’s Apprentice von Elif Shafak dran glauben. Thematisch befinden wir uns in diesem Buch nun etwas weiter zurück in der Vergangenheit und ich war neugierig, wie mir dieses historische Setting im 16. Jahrhundert in Istanbul gefallen würde. Spoiler: 10/10!


Worum geht’s

Wir begleiten Jahan, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt und aus Zufall gemeinsam mit einem weißen Elefanten am Hofe des Sultans ankommt. Mit allem überfordert und einer neuen Rolle (nämlich die des Elefantendompteurs), die er spielen muss, schlägt er sich mehr oder weniger durch und ist gleichzeitig einfach nur fasziniert von dem Leben am Hofe, der Tochter des Sultans, den anderen Tierpflegern und besonders von dem Hofarchitekten Sinan, der seine Begabung erkennt und ihn unter seine Fittiche nimmt. Kriege, Intrigen, Aufstände..sein Leben wird definitiv nicht langweilig, während er seinem Traum, selbst ein Architekt zu werden und perfekte Gebäude zu entwerfen, immer näher kommt.

Wie ist’s

Opulent, wir haben hier sehr viele Geschichten, die ineinander verwoben werden und das Buch zu einer grandiosen Mischung machen. Jahan, unsere Hauptperson und Chota, den weißen Elefanten, muss man einfach mögen und so fiebert man mit den beiden und ihrem neuen Leben am Hofe mit und lernt dabei noch die skurrilsten Elefanten-Fakten. Da das Buch ihre kompletten Leben umfasst, bekommt man sehr viel mit, z.b. wie die unterschiedlichen Sultane herrschen und besonders der Architekt Sinan und seine Prachtbauten spielen eine große Rolle. Es ist prall, märchenhaft erzählt und zieht einen in seinen Bann – und auch wenn man merkt, dass die Geschichten eine traurige Wendung nehmen, muss man einfach weiterlesen, da man wissen will, wie genau es ausgeht.

Elif Shafak entwirft hier eine Welt, die mit der Realität durchaus mithalten kann bzw sind viele Sachen wie der Architekt Sinan und die von ihm entworfenen Gebäude eben von der Wirklichkeit für diese Geschichte ausgeliehen. Mir macht das Buch große Lust, selbst nach Istanbul zu fahren und diese Gebäude noch einmal zu bewundern, nachdem ich jetzt dieses Buch gelesen habe. Geschichte wird hier wieder lebendig und spannend, man lernt bei der Lektüre nebenbei interessante Informationen über das damalige Leben kennen. Die Autorin schafft es auch jedes Mal, dass ich schon beim Lesen am Googlen bin, da ich so viel genauer wissen will, was sie manchmal nur nebenbei anschneidet – das habe ich selten bei Büchern und erfreut mich enorm!

Aber natürlich ist unsere Hauptperson als Junge an den Hof gekommen und somit haben wir auch wieder einen Coming of Age Roman, wo wir den typischen Fragen nachgehen, wer man eigentlich ist oder sein will, welche Träume/Ziele man im Leben entwickelt, der ersten Liebe, Machtspielen etc. Also nichts neues, aber durch die Erzählweise einfach immer wieder spannend und in Kombination mit einem ebenfalls jungen Elefanten-Freund grandios!


Ich freue mich weiterhin, dass ich Elif Shafak entdeckt habe (und frage mich ernsthaft, wieso ich das nicht schon früher getan habe) und habe noch zwei weitere Bücher auf meinem Lese-Stapel von ihr liegen – wenn das so weitergeht, habe ich bis Ende des Jahres alle ihre Werke durch. Sagt, kennt ihr auch ein Buch von ihr und wenn ja, wie hat es euch gefallen?

[Lesenswert] 10 minutes 38 seconds in this strange world von Elif Shafak!

Kaum hatte ich mit meinem ersten Buch von Elif Shafak (The island of missing trees) begonnen, schaute ich schon nach, welche weiteren Werk es von ihr in meiner Bibliothek gibt. Ich hatte Glück, denn es gab noch drei weitere Romane und ich entschied mich, als nächstes 10 minutes 38 seconds in this strange world von Elif Shafak zu lesen. Was ich erneut absolut nicht bereue, sondern nur hin und weg von ihrem Storytelling bin!


Worum geht’s

Das Buch beginnt mit der Ermordung Leila’s, der Hauptperson unseres Buches. In ihren letzten Minuten erinnert sie sich mit Hilfe von Gerüchen an wichtige Momente in ihrem Leben, die alles sehr viel tragisches haben: ihre Kindheit mit zwei Müttern, einem streng-religiösem Vater und einem behinderten Bruder in der ländlichen Türkei; ihre Flucht nach Istanbul, wo sie schnell als Prostituierte in einem Bordell landet und ihre große Liebe, die leider viel zu schnell endet..doch hat sie in ihrem Leben auch fünf sehr gute Freunde gefunden, die auch noch nach ihrem Tod wichtige Rollen in ihrem Leben einnehmen.

Wie ist’s

Ich mag die Erzählweise von Elif Shafak einfach unheimlich gerne, da man sich sofort mit den unterschiedlichen Charakteren identifiziert und so viel mit(er)lebt und noch mehr mit ihnen leidet. Leila hat absurd viele Hürden in ihrem Leben zu überwinden, die einfach nicht fair sind und trotzdem ist das Mädchen/die Frau voller Lebensenergie. Sie hat tolle Freundschaften in ihrem Leben geschlossen, die sehr unterschiedlich und somit für den Leser spannend zu erkunden sind.

Man erhält hier so viele unterschiedliche Eindrücke in Orte, Denkweisen und vergangene Zeiten, die man manchmal geradezu riechen und schmecken kann, so gut werden sie beschrieben. Besonders den Kardamonkaffee habe ich beim Lesen nur so gedanklich inhaliert. Elif Shafak verzaubert, schreibt aber gleichzeitig mit leichten Worten über sehr drastische Geschehnisse, die einen sprachlos-verzweifelt zurücklassen. Denn das so wirklich mit Menschen umgegangen wird, ist zwar einerseits unglaublich, andererseits aber die harte Realität (z.b. dass es einen Friedhof gibt, auf dem in Istanbul alle Menschen bestattet werden, die nicht in die Gesellschaft passen).

Thematisch befinden wir uns zunächst in einem Coming of Age-Roman, in welchem es viel um das Heranwachsen eines Mädchens und die Rechte/Stellung von Frauen geht. Welche Bildung sollen sie bekommen, wen heiraten und was wird familienintern alles totgeschwiegen? Danach flüchten wir gemeinsam mit Leila nach Istanbul und an den Rand der Gesellschaft, zu Prostituierten, Transgender, Flüchtlingen und allen anderen, die von ihr nicht als „normal“ angesehen werden. Auch Politik spielt eine Rolle, wobei wir uns natürlich auf der Seite abseits der herrschenden Regierung befinden. Aus all diesen Bereichen sammelt sich Leila ihre Freunde zusammen, mit denen sie sich ihre eigene Welt aufbaut und so gut es geht, darin glücklich zu werden..bis sie plötzlich ermordet wird und ihre Leichnam auf den abseits gelegenen, anonymen Friedhof der Ausgestossenen (Shafak nennt ihn den „Cemetery of the Companionless“) kommen soll. Das können die Freunde aber einfach nicht geschehen lassen und hier wird das Buch noch einmal ziemlich handlungsreich und hat einige überraschende Wendungen parat.


Erneut war ich absolut gefesselt und konnte das Buch nicht aus der Hand legen, da ich immer weiterlesen wollte und so gespannt war, was sich Elif Shafak noch ausgedacht hat. Für mich ist das enorm gutes Erzählen, das mich in eine mir fremde Welt entführt, mir nebenbei noch Informationen gibt, die ich bisher nicht hatte und gleichzeitig einfach wahnsinnig gut unterhält. Für ein Wochenende, an dem ihr nicht aus dem Haus gehen wollt oder zumindest nur mit Buch, kann ich bisher beide Bücher von ihr uneingeschränkt jedem empfehlen – aber Achtung, vielleicht werdet ihr ebenso süchtig nach ihnen wie ich es mittlerweile bin. Denn ja, ich lese schon wieder ein Buch von ihr und bin erneut in der Geschichte gefangen!

[Lesenswert] The island of missing trees von Elif Shafak

Seit Jahren stehen die Bücher dieser Autorin schon auf meiner Liste und irgendwie bin ich nie dazu gekommen. Somit habe ich mich umso mehr gefreut, als ich The island of missing trees von Elif Shafak in der Bücherei entdeckte. Wie erwartet, habe ich es nur so verschlungen und mir schon zwei weitere Romane von ihr ausgeliehen! Absolute Lese-Liebe!


Worum geht’s

Die beiden Teenager Kostas und Define verlieben sich, aber das darf im Jahr 1974 auf Zypern nicht öffentlich werden. Denn Kostas ist ein griechischer Christ und Defne eine muslimische Türkin, die sich nur in einer Taverne, im Schutz zweier Freunde und eines Feigenbaumes, im Verborgenen treffen können. Dann bricht jedoch ihre Welt zusammen, denn im Sommer wird der Norden Zyperns von türkischen Streitkräften besetzt und es kommt zu nicht vorstellbarem Blutvergiessen zwischen ehemaligen Nachbarn, Freunden, anderen Zyprern und auswärtigen Soldaten. Jahrzehnte später erfährt Ada, die Tochter der beiden, die in England aufgewachsen ist, nach und nach von diesen Erlebnissen, da sie zum ersten Mal ihre Tante (mütterlicherseits) kennenlernt.

Wie ist’s

Schmerzhaft und grandios. Elif Shafak schreibt so wunderbar, dass ich ihr selbst nicht übelnehme, dass sich ein Feigenbaum in einen Menschen verlieben kann und eine eigene Stimme in diesem Buch bekommt. Denn genau diese Erzählerperspektive ist notwendig, um die komplexe, auf verschiedenen Zeitebenen spielende Geschichte vollständig dem Leser zu vermitteln. Man leidet – mit Kostas, Defne, Ada und allen Menschen, die während dieser Tragödie auf Zypern lebten und noch immer mit der Aufarbeitung zu tun haben. Persönlich war mir der Zypernkonflikt zwar bekannt, aber mich intensiver damit auseinandergesetzt habe ich mich erst jetzt. Und habe dabei wirklich erschreckende Sachen gelernt, die mir einfach nicht bewusst gewesen sind.

Die einzelnen Charaktere sind mit Liebe entworfen, sie überraschen einen, bringen einen zum Lachen, zum Weinen und besonders zum Nachdenken. Neben politischen und historischen Fakten lernt man auch sehr viel über Natur, sei es besonders über Bäume, aber auch andere Pflanzen und Tiere Zyperns sowie etwas rund um das Thema „Ausgrabung von menschlichen Knochen“. Was ich alles nicht erwartet habe, es mich aber umso mehr fesselte und den einzelnen Charakteren und Nebenstories mehr Tiefe verlieh. Natürlich ist Coming of Age gleich zweifach ein Thema: einmal die beiden Teenager, die sich heimlich treffen mussten und dann lange Zeit später ihre Teenagertochter, die ihre eigene Welt, ihren Platz darin und ihre Geschichte zu hinterfragen beginnt. Dass dies verwoben wird, fand ich ganz großartig konstruiert!


Ich habe überhaupt nichts an diesem Buch auszusetzen (sogar die Länge ist perfekt), es ist für mich eine begeisternde 10/10 und ich kann es nicht abwarten, alle anderen Werke von dieser Autorin zu verschlingen. Wer sich in eine andere, aber doch nicht so andere Welt entführen lassen und viel fühlen will, das ist euer Buch!

[Lesenswert] Sieben Minus Eins von Arne Dahl

Bei dem schwedischen Kriminalroman Sieben Minus Eins von Arne Dahl war ganz klar das Buchcover ausschlaggebend, denn sonst hätte ich wohl nicht danach gegriffen. Aber sobald man mir einen See mit Nebel und noch ein leeres Kanu gibt, ist mein Interesse geweckt und dankbarerweise war das auch der erste Teil der Berger & Blom Reihe und ich bin nicht mittendrin eingestiegen!


Worum geht’s

Kriminalinspektor Sam Berger kriecht in ein blutiges Kellerloch und ist sich sicher, dass die hier wohl gefangen gehaltene (und ermordete?) Frau kein Einzelfall ist. Irgendwo in Stockholm treibt sich ein Serienmörder herum und er muss ihn finden. Dazu benötigt er allerdings Hilfe und bekommt sie in Form von Molly Blom, die jedoch auch nicht die zu sein scheint, die sie vorgibt..

Wie ist’s

Irgendwie hat mich das Buch zuerst überhaupt nicht gekriegt und ich musste mich schon fast zwingen, jeden Tag für 30 Minuten (mein Leseziel) danach zu greifen. Was daran liegt, dass im Buch viel angesprochen, aber wenig erklärt wird und man somit nur Andeutungen hat, aber keine Ahnung, was uns der Autor wirklich damit sagen will. Zunächst dachte ich auch, dass das schon eine Fortsetzung ist und ich diese Infos aus vorherigen Büchern haben müsste – aber nein, einige Details werden viel später erklärt, andere einfach so stehen gelassen. Fand ich schwierig zu lesen und leider auch etwas demotivierend.

Ab der Hälfte hat sich das dann aber geändert und es wurde endlich so fesselnd, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Da ich nicht zu viel spoilern mag, denn hier gibt es wirklich viele Wendungen, die man nicht kommen sieht, habe ich mir bei der Inhaltsbeschreibung auch schon etwas einen abgebrochen 😉 Plötzlich ist da viel mehr Handlung, alles kommt in Schwung und einige der vorher angesprochenen, ungeklärten Details fügen sich endlich zusammen. Ebenfalls bekommen die Hautpersonen noch einmal ganz andere Rollen und Beziehungen zueinander und das fand ich grandios! Plötzlich passte hier alles für mich (bis auf das Erzähltempo, das hätte immer noch ein bisschen mehr Geschwindigkeit gebrauchen können).

Sowohl Sam Berger als auch Molly Blom habe eine mit dem Serientäter verbundene Vergangenheit, die sich nach und nach entfaltet und man zu verstehen beginnt, wo hier die Problematik liegt (aber ja, es wird auch etwas unrealistisch in meinen Augen). Man hat also sowohl den Handlungsstrang „Suche nach dem Mädchen“ als auch „Enträtseln der Vergangenheit“ und springt zwischen Sam und Molly hin und her, was dem gesamten Buch sowohl mehr Spannung als auch Komplexität gibt. Hierdurch ist es auch keine banale „Ermittler suchen Serienmöder“-Geschichte.


Mit einer Empfehlung tue ich mich trotzdem schwer, da bin ich ehrlich. Ich hasse es, Bücher abzubrechen und würde mir das leichter fallen, wäre dieses Buch wohl schon nach 2-3 Tagen wieder im öffentlichen Bücherschrank verschwunden. Zwar war das Durchhalten die „zweite Hälfte“ wert, da es dort wirklich viel besser wurde und sich auch der erste Teil etwas erklärte, aber wirklich mehr von diesem Autor will ich im Moment nicht lesen. Dazu fand ich es leider zu lange zu langweilig geschrieben, da man als Leser im Dunkel der kontextlosen Andeutungen zurückgelassen wird.

Aber zum Glück sind Geschmäcker verschieden und für alle, denen dieses Buch zusagte, gibt es in der Reihe mittlerweile noch vier weitere Bände um das Ermittlungsduo Berger & Blom!

[Lesenswert] Home Body – Rupi Kaur!

Dass es in der finnischen Bibliothek Home Body von Rupi Kaur gibt, habe ich nicht unbedingt kommen sehen, mich aber enorm darüber gefreut. Nachdem ich ihre vorherigen Gedichtbände (Milk & Honey; The Sun and her Flowers) schon verschlungen habe, war ich mir sicher, dass ich auch Home Body innerhalb von wenigen Stunden inhalieren würde – was auch geschehen ist!


Worum geht’s

Aufgeteilt ist das Buch in die Kapitel Mind, Heart, Rest und Awake und beginnt mit den folgenden Worten, die uns schon eine gute Idee geben, wohin die Reise diesmal geht:

after feeling disconnected for so long

my mind and body are finally

coming back to each other

Rupi nimmt uns hier erneut auf eine sehr intime Reise mit, die sie in den letzten Jahren durchlaufen hat. Es geht um das Sich-in-sich-Selbst-Wohlfühlen, die Verbindung von Körper und Geist, um emotionale Hürden (was ist eigentlich „Home“?), um Vergangenheitsbewältigung und wie man an ihr wachsen kann. Teilweise sind die Gedicht sehr roh, man spürt die Verletztheit der Poetin und ist erstaunt über ihre Offenheit, diese mit der Welt in so klaren, oft nur wenigen, dafür aber mächtigen Worten zu teilen.

Wie ist’s

Erneut wollte und konnte ich dieses Buch nicht aus der Hand legen, sondern musste es zunächst in einem Rutsch lesen. Die modernen Gedichte fließen nur so dahin, man liest sie immer weiter runter und vergisst dabei die Zeit und die eigene Lebenswelt etwas. Rupi hat auch hier wieder ihre eigenen Illustrationen hinzugefügt, die eine perfekte Ergänzung zu ihren Worten sind. Viele andere Menschen sagen, dass sie ihnen „aus der Seele“ spricht und teilweise kann ich dieser Aussage auch zustimmen. Man kann sich mit ihr identifizieren bzw ihre Worte auf eigene Situationen umdeuten und fühlt sich gesehen und verstanden.

Dass gleich zu Beginn des Buches so enorm private Themen angesprochen werden, habe ich nicht erwartet, aber da damit der Prozess begann, ergibt es natürlich auch Sinn, sie zuerst zu benennen und den Leser dann auf die Bewältigungsreise mitzunehmen. Rupi gelingt es mit nur wenigen Worten intensive Atmosphären zu schaffen, die in einem nachhallen und man somit immer und immer wieder einige der Gedichte (oder das gesamte Buch) lesen mag.

Auch wenn ich das Buch nicht behalten kann und will, dass es möglichst viele andere Leser begeistert, habe ich mir die für mich wichtigsten Seiten abfotografiert. Denn man kommt immer wieder zu ihren Worten zurück und teilweise finde ich es wahnsinnig spannend, wie ihre Worte auch nach Jahren zwar gleich geblieben sind, ich mich (oder die mich umgebenden Umstände sich) aber so verändert habe, dass ihre Gedichte jetzt anders zu mir sprechen.


Wenn ich irgendwann mal eine kleine Bibliothek in meiner Wohnung haben sollte, werden darin definitiv alle Werke von Rupi Kaur zu finden sein und es gibt niemandem, dem ich ihre Gedichte noch nicht empfohlen habe. Somit ist auch Home Body für mich absolut lesenswert, egal, ob ihr die vorherigen Bände schon gelesen habt oder Neulinge seid und noch nie von Rupi Kaur gehört habt. Wenn ihr euch unsicher seid, schaut mal auf ihrem Instagramaccount vorbei, da bekommt ihr einen sehr guten Eindruck von ihrer Poesie und auch von ihr als Mensch! Ich warte jetzt darauf, dass ich Healing through Words von ihr aus der Bibliothek abholen kann, aber die Warteliste ist lang!


Kennt ihr Rupi Kaur? Wenn ja, wie gefallen euch ihre Gedichte? Hat sie wer vielleicht schon live performen sehen? Das steht definitiv noch auf meiner to-do-Lebensliste 🙂

[Lesenswert] Pandora von Susan Stokes-Chapman

Das zweite Buch aus der finnischen Bücherei durfte für mich die englische Version von dem Bestseller Pandora von Susan Stokes-Chapman werden und ich habe schon gelernt, dass man hier wahnsinnig auf Fantasy und historische Romane steht. Bei der vielen Dunkelheit draussen passt es aber auch einfach, in andere Welten entfliehen zu wollen und so lese ich mich auch mal ein wenig mehr in diesen Genres ein. Ich war sehr neugierig, ob mir Pandora zusagen würde, denn vom Cover her hätte ich es mir schon einmal nicht im Buchladen gegriffen, da es zwar sehr hübsch ist, aber so gar nicht nach meinem regulären Büchergeschmack aussieht.


Worum geht’s

Wir befinden uns in London, genauer gesagt im Jahre 1799, in welchem unsere Hautperson Dora gemeinsam mit ihrem Onkel und seiner Haushaltshilfe/Freundin einen Antiquitätenladen betreibt. Dieser gehörte ehemals Doras Eltern, die bei einer Ausgrabung in Griechenland allerdings tragisch ums Leben kamen und nun leider komplett heruntergewirtschaftet und zu einem Ramschladen unter der Führung des Onkels wurde. Dora selbst träumt davon, Schmuck zu designen und stellt mit Hilfe von Hermes, ihrer Elster, erste Kreationen her, die aus Fundstücken bestehen. Plötzlich jedoch erhält ihr Onkel eine neue Lieferung, eine griechische Vase und ihr aller Leben beginnt sich zu verändern..liegt etwa ein Fluch auf ihr?

Wie ist’s

Leider muss ich sagen, dass es nicht mein Buch war. Es fing spannend an, Dora und ihre Elster waren interessante Charaktere, aber irgendwie verlor es sich immer mehr in irrelevanten Details und die Story zog sich so dahin und hatte die typischen „junge Liebe“, „schwieriges Familienverhältnis“, „unerfüllte Träume“-Themen. Ich habe mir mehr historisch korrekte Fakten gewünscht, die es zwar stellenweise auch gab, aber durch andere Beschreibungen dann irgendwie in Frage gestellt wurden und mich insgesamt dann davon überzeugten, lieber alles unter Fiktion zu setzen. Also natürlich kann man sich Dinge ausdenken, nur wenn ich sie in eine reale Zeit setze und in keine ausgedachte Welt wünsche ich mir persönlich dann auch etwas mehr Recherche. Denn ich will mich als Leser nicht ständig fragen, was jetzt wahren Begebenheiten entspricht und was ausgedacht sein könnte.

Ebenfalls fehlte mir die griechische Mythologie, die so angepriesen wurde. Also ja, sie arbeiten in einem Antiquitätenladen (der vor Fälschungen nur so wimmelt) und Dora wurde nach Pandora benannt und hatte sehr an Griechenland interessierte Eltern, die dort viele Stücke ausgruben. Aber irgendetwas Neues habe ich beim Lesen nicht aus der Welt der griechischen Mythen gelernt und das fand ich schade. Man hätte nebenbei einfach viel mehr Wissen an den Leser vermitteln können und das auf spannende Weise. Stattdessen wird nur immer mal wieder kurz etwas oberflächlich erwähnt, was mich erneut zum Meckern bringt, dass hier die umfangreiche Recherche fehlt. An klischeehafter Romantik fehlt es allerdings nicht 😉

Wobei ich zugeben muss, dass ich einfach nicht die Zielgruppe bin und viele Teenager/junge Erwachsene mit diesem Coming-of-Age-Roman sehr glücklich sein dürften! Statt um geschichtliches und mythologisches Wissen dreht es sich eben primär um die erste Liebe, um die Fragen, was Dora in ihrem Leben will und wie sie sich diese Ziele zu erkämpfen versucht. Das hätte nur auch leider in jedem anderen Setting genauso ablaufen können und hat meine Erwartungen an dieses Buch somit nicht erfüllt (zu flach, zu oberflächlich, teilweise zu unglaubwürdig). Den Schreibstil von Stokes-Chapman fand ich angenehm, man kann das Buch gut und schnell herunterlesen und kommt auch nach einer Pause schnell wieder rein – wodurch es für mich eine angemessene Urlaubs-/Reiselektüre ist, wenn man einfach mal abschalten will.


Ich habe auf meiner Lese-Liste für dieses Jahr noch The Song of Achilles von Madeline Miller stehen und hoffe sooooo sehr, dass wir uns mehr mögen werden! Wenn das jemand von euch schon gelesen hat, lasst mir gerne eure Meinung dazu hier, ob das für mich passen könnte oder ich es einfach lassen sollte. Kennt jemand „Pandora“ und hat vielleicht eine positivere Bewertung für dieses Buch?

[Lesenswert] Dear Edward – Ann Napolitano

Bisher habe ich in Finnland noch keine öffentlichen Bücherschränke gefunden, aber dafür die Möglichkeit, Bücher direkt aus der Bibliothek auszuleihen. Da ich jedoch nicht selbst hingehen und durch die Regale streifen kann (Stichwort: Zehenbruch), schaute ich nun online, welche englischsprachigen Bücher es gibt und ließ mir diese chronologisch nach dem neuesten Erscheinungsdatum anzeigen. Genau so stolperte ich über Dear Edward von Ann Napolitano und bin so glücklich, dass ich dieses Buch erfahren durfte!


Worum geht’s

Der zwölfjährige Edward „Eddie“ Adler fliegt gemeinsam mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder Jordan von New York nach Los Angeles, wo sie ein neues Leben beginnen wollen. Doch leider stürzt das Flugzeug ab und nur Eddie überlebt, während alle anderen Passagiere bei diesem tragischen Unglück ums Leben kommen. Das Buch dreht sich um Trauer, Verlust und die Frage, was es bedeutet, nicht nur zu überleben, sondern wirklich weiterzuleben.

Wie ist’s

Das Buch bricht einem immer wieder das Herz, da es um so viele verschiedene Schicksale geht, die dieser Unfall zerstört hat. Gut finde ich, dass auf zwei Zeitebenen erzählt wird und man einerseits den Flug und den Absturz miterlebt und auch die anderen Passagiere näher kennenlernt, andererseits aber das Leben von Eddie und einigen Hinterbliebenen miterlebt. Es ist ganz klar ein Coming-of-Age-Roman, welcher sich aber neben all den typischen Erwachsenwerd-Themen noch mehr mit dem Sinn des (Über-)Lebens beschäftigt, mit der Verarbeitung von Verlust, Trauer, Depression und der Tatsache, dass nur Eddie diesen Absturz überlebt hat.

Natürlich versucht der Junge sich an das neue Leben bei seiner Tante und seinem Onkel in einer Kleinstadt zu gewöhnen, aber sein Bruder fehlt ihm zu sehr. Er versucht diese fehlende Verbundenheit durch Freundschaft mit der gleichaltrigen Nachbarstochter auszugleichen, die ihm zurück in die Gegenwart und ins Leben hilft. Das Buch dreht sich viel um Identität (wer bin ich (nicht), wer will ich (nicht) sein), um den Sinn des Lebens und um die Frage, was man nun machen soll, wenn man solch eine zweite Chance bekommen hat.

Besonders gut gefallen hat mir aber, dass es eben nicht nur um Eddie, den Überlebenden, geht, sondern auch viele andere Schicksale von Passagieren näher beschrieben werden. Es ist keine namenlose Masse, sondern einzelne Menschen, die wiederum Familien hatten, die nun ebenfalls mit ihren Verlust umzugehen lernen müssen. Dies geschieht immer wieder in Bezug auf Eddie, da viele mit ihm sprechen wollen, um sich ihren verstorbenen Lieben näher zu fühlen. Dass dies keine leichte, sondern eine überfordernde Rolle für einen Teenager ist, ist selbstverständlich.

Aber nicht nur die sehr realitätsnah konzipierte Geschichte ist fesselnd und man mag das Buch nicht aus der Hand legen, bis man weiß, wie es ausgeht, gleichzeitig ist es einfach nur gut geschrieben. Einfühlsam trifft es einen selbst immer wieder genau dort, wo es wehtut und man leidet mit den vielen unterschiedlichen Menschen mit. Gleichzeitig freut man sich aber auch über jeden kleinen Schritt Eddies raus aus der Depression und hin Richtung (Weiter-)Leben, sei es seine neu entdeckte Freude über Farne oder das Gewichtheben, welches ihm Ablenkung beschert.


Lustigerweise ist das Buch wohl so gar kein Geheimtipp mehr, denn gerade vor wenigen Tagen wurde seine Verfilmung bei Apple TV als Serie veröffentlicht. Und auch wenn ich sie wohl eher nicht sehen mag, da ich das Buch so grandios finde und meine eigenen Charaktere vor Augen habe, wollte ich das hier kurz angesprochen haben. Eine absolute Leseempfehlung von mir und ich bin froh, dass dieses Buch ziemlich willkürlich zu mir gekommen ist!

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