Letztes Jahr habe ich Anfang Dezember in Sravasti in Nord-Indien (dort soll Buddha ganz gerne den Monsun verbracht haben, da es nicht so unerträglich heiß war) meinen ersten Vipassana-Meditationskurs besucht. Das stand – wie so vieles – schon ewig auf meiner „will ich mal machen“-Liste und auch, wenn ich ihn lieber in Myanmar erfahren hätte, war die Zeit einfach richtig. Somit habe ich mich einige Wochen vorher schon online angemeldet, was ihr schnell und problemlos über Dhamma.org machen könnt und war voll mit nervöser Vorfreude. Denn ich habe noch nie im Leben zehn Tage nicht gesprochen und wollte unbedingt wissen, was das mit einem macht.

Da ihr wahrscheinlich durch eine Suche nach Erfahrungsberichten zu Vipassana auf diesen Blogpost gestolpert sein, erkläre ich nur ganz kurz, was genau das eigentlich ist, bevor ich zu meinem persönlichen Eindruck komme. Vipassana gilt als eine der ältesten Meditationspraktiken der Welt und wurde schon vor über 2500 Jahren entwickelt. Man unterrichtet sie nur in mindestens 10-Tages-Seminaren, da die Lehrer (nach Buddhas und S.N. Goenkas Lehren) davon ausgehen, dass man diesen Zeitraum – losgelöst von allem Weltlichen – braucht. Dazu zählt: kein Kontakt zur Außenwelt oder mit anderen Teilnehmern (weder sprechen, noch in die Augen schauen etc), jeglicher Verzicht auf externe Stimuli (Bücher, Handys, Blatt und Papier, nichts ist erlaubt), eine sehr einfache, aber vollwertige Diät und natürlich sind jegliche berauschende Substanzen (Alkohol, Zigaretten, Drogen) verboten. Es geht um euch und euren Geist, welchem es nur unabgelenkt möglich ist, die Dinge so wahrzunehmen, wie sie wirklich sind.


Die Vipassana-Kurse beruhen weltweit auf Spendenbasis, ihr zahlt nichts an, sondern gebt erst, nachdem ihr ihn absolviert habt, was ihr für angemessen haltet. Da ihr während der Zeit nicht nur die Meditationskurse (und Lehrer) bekommt, sondern auch eine Unterkunft (ich hatte mein eigenes Zimmer mit Bad) und verdammt leckeres (in meinem Fall indisches, hausgemachtes) vegetarisches Essen und Getränke im jeweiligen Kloster bekommt, wurde uns „Auswärtigen“ die Zahl 500 indische Rupien pro Tag als Richtlinie gegeben. Also knapp 6€ am Tag für alles und bitte, das ist wirklich nicht viel Geld für uns. Da es sich jeder leisten soll, so einen Kurs zu besuchen, gebe ich das doch sehr gerne, wenn ich damit sogar noch andere Menschen finanzieren kann.

Der Tagesablauf bei meinem 10-Tage-Kurs sah folgendermaßen aus:

  • 04.00h: Aufstehen
  • 4.30-6.30h: Meditation (in der Halle)
  • 6.30-08.00h: Frühstück & Pause
  • 08.00-09.00h: Gruppenmeditation (in der Halle)
  • 09.00-11.00h: Meditation (in der Halle/eigenem Zimmer/eigener Zelle)
  • 11.00-12.00h: Mittagspause
  • 12.00-13.00h: Pause
  • 13.00-14.30h: Meditation (in der Halle/eigenem Zimmer/eigener Zelle)
  • 14.30-15.30h: Gruppenmeditation (in der Halle)
  • 15.30-17.00h: Meditation (in der Halle/eigenem Zimmer/eigener Zelle)
  • 17.00-18.00h: Teepause
  • 18.00-19.00h: Gruppenmeditation (in der Halle)
  • 19.00-20.15h: Vortrag von S. N. Goenka (Video auf englisch)
  • 20.15-21.00h: Gruppenmeditation (in der Halle)
  • 21.00-21.30h: Fragen an der Lehrer (in der Halle)
  • 21.30h: Nachtruhe

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Insgesamt: 10 Stunden & 45 Minuten in Meditation pro Tag

Beginnen wir mit dem Anreisetag, welcher bei mir ganz schön lang dauerte, da ich erst über Nacht mit dem Zug, dann dem Bus und dann einer Riksha durch das sehr ländliche Uttar Pradesh fuhr. Angekommen wurde ich erstmal begrüßt und mir sofort Tee und etwas zu Essen gegeben (ich liebe indische Gastfreundschaft). Danach wurde mir mein Zimmer gezeigt, wobei es alles nach Geschlechtern getrennt ist. Also es gibt einen männlichen und einen weiblichen Bereich, sowohl für die Unterkunft, als auch die Essensräume, die Bereiche in der Pagoda und auch wenn wir gemeinsam in der Meditationshalle waren, waren die Männer auf der einen und die Frauen auf der anderen Seite. Da man nicht rüber schaute, hatte ich quasi zwölf Tage keinerlei Interaktion mit Männern und auch das war überraschend angenehm. Man bekommt eine Nummer, anhand der euch dann euer Meditationskissen, euer Essensplatz und auch eure Zelle in der Pagoda zugeteilt wird. Der von Hand geschlagene Gong ist nun eure neue Uhr und das alltagsstrukturierende Element – oh, was habe ich ihn morgens um 4 gehasst.

Danach gibt man all seine ablenkenden, persönlichen Gegenstände ab, was neben Smartphone und Laptop auch Bücher, Zettel und Stifte sind. Das war mir noch logisch, dass ich aber auch meinen Reisepass abgeben musste, war doch seltsam. Aber man soll die Meditation vorher nicht abbrechen, muss das auch unterschreiben (ich wäre jetzt auch nicht über zwei Steinmauern geklettert, um zu fliehen..) und durch die Wegnahme sichern sie sich wohl ab. Doch kein Reisepass und somit Ausweisdokument in einem fremden Land zu haben, ist seltsam. Abends gab es an diesem Tag eine kurze Einführung in den weiteren Tages- und Wochenablauf und danach ging man zu Bett. Oh, was war ich gespannt auf den nächsten Morgen!

Zu den Zimmern noch zwei Sätze, da ich dies spannend fand und zuerst keine Ahnung hatte, was da passiert. Es gab zwei Betten, eines mit Matratze, eines als Holzpritsche und das „luxuriösere“ hatte ein Moskitonetz. Die neuen Schüler dürfen die bequeme Variante nehmen, wenn man schon häufiger Kurse besucht hat, nimmt man die unbequemere Version. Bei der Größe der Spinnen in meinem Zimmer (die man auch nicht rauswerfen darf, da man sie aus Versehen verletzten könnte und das verboten ist), war mir das Moskitonetz definitiv ein guter Freund. Diese bequem/unbequem Variante zieht sich durch die gesamte Ausstattung: so könnt ihr ein bequemeres Kissen zur Meditation nutzen oder den Boden; so könnt ihr den Milchtee mit Zucker trinken oder nur das Wasser mit Ingwer und auch beim Essen entscheiden, wie viel ihr euch „gönnen“ wollt. Gerne gegönnt hätte ich mir, dass das Zimmer etwas wärmer wäre, denn Dezember in Nord-Indien ist fies kalt und das wenige heiße lauwarme Wasser aus dem Eimer zum Duschen, hat da auch nicht sonderlich geholfen. Mimimi, ich weiß, aber ich wollte es nur anmerken..nehmt euch dicke Socken mit! Wir hatten morgens z.b. alle Handschuhe für die erste Meditation an 😉

Die ersten Tage wird man an die neue, mir bis dato unbekannte, Meditationsweise herangeführt, man lernt – mithilfe der Lehrer, Tonbandaufnahmen von Goenka während der Meditations und Videos von ihm während der abendlichen Unterrichtseinheit – wie man atmen soll und erlebt dann verrückterweise nach und nach, dass das, was einem erzählt wird, selbst erfahren wird. Da sich dies für jeden anders anfühlen wird, werde ich hier nicht ins Detail gehen, aber teilweise habe ich mich wie ein kleiner Magier gefühlt, der seinen Körper und dessen Energie plötzlich unter Kontrolle hat.

Mir fiel es die ersten Tage wahnsinnig schwer, meine Gedanken abzuschalten. Man soll sich lediglich auf sein Ein- und Ausatmen konzentrieren, auf kein Wort, kein Mantra, keinen Zustand – nur auf das Gefühl an/in/um die Nase herum, wenn man ein- und wieder ausatmet. Was für ein paar Minuten gar nicht schwer ist, aber wenn man das erstmal eine Stunde am Stück bzw den gesamten Tag macht, ist das sehr anstrengend. Meist schlang ich in jeder Essenspause alles nur so runter und legte mich sofort in mein Bett. Mein Körper bzw mein Geist war einfach nur erschöpft. Dazu kam, dass ich in wachem Zustand sehr viele Flashbacks zu (keinen besonders prägenden) Momenten hatte, ich also merkte, was ich so alles noch zu verarbeiten habe, mir aber nie die Zeit nehme, da ich durch meinen Lebensstil ständig neues konsumiere – also in Form von Orten und natürlich auch dort getroffenen Menschen. Gleichzeitig träumte ich enorm intensiv, hier kam mein Geist also auch nicht zur Ruhe.

Dies hat sich aber alles abgeschwächt und es fühlte sich an, als würde mein Geist endlich ruhiger werden, da eben keine neuen Dinge von außen verarbeitet werden mussten. Gleichzeitig wurden die Flashbacks weniger und auch meine Träume ließen mich in den letzten drei Tagen fitter aufwachen. Es gelang mir immer länger, mich auf meinen Körper bzw auf die Wahrnehmung aller Empfindungen an ihm zu konzentrieren; hierdurch verliert man da auch das Zeitgefühl und ist manchmal ganz verwirrt, wie „schnell“ diese Einheit nun herum ging. Mir persönlich gelang die Vipassana-Meditation am besten in meiner Zelle in der Pagoda. Irgendwie hat so ein kleiner Raum mit dicken Mauern, auch über dem Kopf, eine besondere Wirkung auf mich (und hat auch jegliche Geräusche geblockt, denn auch wenn wir in der Pampa in Indien sind, es ist immer noch laut); aber ich sitze in Indien auch immer gerne in Höhlen herum.

Nachdem ich anfangs mal das Gefühl hatte, „jetzt verstehe ich, was passiert“ und dann wieder „ich habe keine Ahnung, was ich hier machen soll“-Gedanken, war ab Tag 7 irgendwie alles anders. Ich zweifelte nicht mehr an mir und meinen Empfindungen, ich merkte, dass ich die Vipassana Meditation zu erfahren beginne und fand das wahnsinnig grandios. Man fühlt sich – wie schon erwähnt – einfach großartig, wenn man plötzlich diese „Kraft“ hat. Es beruhigt einen. Und die Idee der Metta Meditation, welche wir am Ende des Kurses lernten, ist einfach nur wunderbar. Hierdurch kann man positive Kraft/Energie (wie auch immer ihr es nennen wollt) von sich aus auf andere übertragen und so esoterisch es klingt, wir haben es alle gespürt. Kann man nicht beschreiben, muss man selbst erfahren.

Als ich mich zu diesem Kurs anmeldete, dachte ich überhaupt nicht darüber nach, wie man eigentlich meditiert. Also, dass man die Zeit komplett im Schneidersitz verbringen wird und ich nur sehr selten so (still herum) sitze. Besonders soll man sich so wenig wie nur möglich bewegen und ich sage euch, mein Körper war fix und fertig. Da war den PCT laufen nix dagegen! Erst bekam ich Krämpfe, später wirkliche Schmerzen und meine linke Schulter war noch Wochen später kaum zu gebrauchen (und musste mit Akupunktur behandelt werden, da sie wohl entzündet gewesen war). Wenn ihr überlegt, solch einen Kurs zu machen, trainiert vielleicht ein wenig das (Still-)Sitzen im Schneidersitz; so doof das klingt, ich hätte es wirklich tun sollen. Da jeder Mitleid mit mir hatte, bekam ich jeden Tag andere Unterlagen zum Ausprobieren; am liebsten hätte ich mich ja auf einen der Stühle gesetzt (das ist alten Leuten erlaubt), aber gleichzeitig wollte ich den Boden spüren und somit durch den Schmerz atmen.

Sehr interessant war auch der Abreise-Tag. Wir waren insgesamt vierzehn Frauen, die nun zwölf Tage auf engstem Raum verbrachten, ohne sich je auch nur in die Augen gesehen zu haben. Wir begannen nach und nach alle zu reden und es war komisch, weil wir uns irgendwie kannten. Auf eine sehr unorthodoxe, aber doch intensive Art und es war sehr schön, noch gemeinsam zu essen, zu lachen und ein wenig Erfahrungen auszutauschen. Mit den meisten bin ich auch noch in Kontakt und es ist einfach schön, eine Gruppe zu haben, die nicht denkt, dass man absolut verrückt ist, so etwas zu machen.

Achja, man hat während der gesamten Zeit eine Lehrerin, welche auch zu persönlichen Gesprächen bei Fragen bereit steht, einem bei den ersten Meditationstagen hilft und ich mochte ihre ruhige Ausstrahlung sehr. Leider wurde sie jedoch nach nur wenigen Tagen sehr krank (wie gesagt, es war wirklich kalt) und somit haben wir sie alle primär in Ruhe gelassen. Aber ihre Anwesenheit hatte etwas beruhigendes für mich. Da ich am Abreisetag erst abends abfuhr, hatte ich noch ein paar Stunden quasi alleine in der Tempelanlage (und somit auch Bilder) und es war ein toller Ausklang, noch alleine etwas zu meditieren und mich in Ruhe zu verabschieden. Da in der „normalen“ Tempelanlage nur Herzensmenschen wohnen/arbeiten, bekam ich natürlich trotzdem noch Lunch und ein Essenspaket sowie viel Tee über den tag hinweg, die Tasse eines Mitarbeiters (der sich davon auch nicht abbringen ließ) und konnte mit den Freiwilligen (ehemaligen Teilnehmern, die nun neuen Schülern helfen wollen) ausgiebig reden. Ein bisschen wanderte ich noch durch Sravasti, aber es war sehr komisch, plötzlich wieder unter Menschen zu sein.

Hatte ich zu Beginn des Kurses quasi die Tage (und Meditationsstunden) gezählt, die ich noch vor mir hatte, wollte ich zum Ende hin gar nicht, dass es „schon“ vorbei ist. Was komisch klingt, aber ich mochte dieses einfache Leben sehr. Komplett ohne Kontakt mit der Aussenwelt, ohne sozial agieren zu müssen (was ich normalerweise sehr mag, aber es kann anstrengend sein, besonders in Indien, wo man nie alleine ist), ohne mein Smartphone, welches sonst mein ständiger Begleiter ist und somit auch ohne Ablenkung. Es geht wirklich nur um einen selbst. Nach all dieser Ruhe und Entspannung, gepaart mit der ausgleichenden Anstrengung der Meditation hatte ich doch Angst, jetzt gleich wieder nach Delhi und in den Trubel zu fahren, sowie wenige Tage später für Weihnachten nach Hause zu fliegen.

Es kam übrigens wie ich es erwartet hatte: seitdem ich Sravasti verlassen habe, habe ich es kein eines Mal hingekriegt, mich an das Ideal der einstündigen, morgendlichen und abendlichen, täglichen Meditation zu halten. Es kommt einfach immer etwas dazwischen, zunächst war es das Reisen, dann der Jetlag oder Termine und dann die Tatsache, dass ich mir diese „Meine-Zeit“ einfach nicht nehme. Dabei weiß ich, wie gut es mir tun würde (- die Schulterschmerzen) und ich will es in meinen Alltag integrieren. Vielleicht kann ich dazu diese aktuelle Situation nutzen, denn es hätte definitiv nur positive Auswirkungen auf mich. Gut ist, dass ich in einer WhatsApp-Gruppe bin, wo ehemalige Schüler und Lehrer sind und wir jeden Tag Videos zugeschickt bekommen, mit denen ich mich beschäftigen kann.

Würde ich es wieder tun? Absolut, ich hatte schon nach möglichen Terminen geschaut, bevor Corona passierte und all unser Leben erst einmal etwas in Stillstand brachte. Gerne würde ich es wieder in Indien erleben und ich könnte mir durchaus auch vorstellen, wenn mein Körper mitmacht, das für 21 Tage auszuprobieren und später auch als Freiwilliger zurückzukehren, um neuen Schülern zu helfen. Aber bis dahin muss ich noch ein paar mehr Kurse absolvieren.

Viele Worte später und doch kann ich nicht wirklich transportieren, was das für eine Erfahrung war. Aber da diese individuell so unterschiedlich ist, denke ich auch nicht, dass es möglich ist. Euch hoffentlich aber doch darin bestärkt hat, dass es ein einmaliges, absolute zu empfehlendes Erlebnis ist – selbst, wenn ihr am Ende nur daraus mitnehmt, dass es nichts für euch ist.


Habt ihr schon eine/mehrere Vipassana Meditationen mitgemacht? Wenn ja, wo und wie hat es euch gefallen? Oder spielt ihr mit dem Gedanken? Seit ich es gemacht habe, lerne ich übrigens ständig Menschen kennen, die es auch haben..Zufall?

2 Comments on 10 Tage in kompletter Stille – Meine erste Vipassana Meditations-Erfahrung!

  1. liebe leona. danke für deinen erfahrungsbericht. ich werde es im januar in der toskana machen und ich freu mich schon riesig drauf (hab auch a bissl bammel).
    dnke dir! 💕

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