Der Roman Pachinko von Min Jin Lee tauchte immer wieder auf Instagram bei mir auf und das Cover machte mich auch direkt neugierig. Anscheinend lebe ich hinter dem Mond, denn ich hatte bis dato noch nie von diesem schon 2017 enorm erfolgreichen Buch gehört. Zum Glück durfte ich es jetzt erleben und mich in dieser Geschichte über vier Generationen in Korea und Japan verlieren. Und ich habe gelernt, was Pachinko ist – eine faszinierende Welt für sich!



Worum geht’s

Gaaaanz kurz zusammengefasst geht es um das Leben mehrerer Generationen einer koreanischen Familie, welche während der japanischen Besetzung 1931 ihre Tochter Sunja einen japanischen Mann heiraten und mit ihm „für ein besseres Leben“ nach Japan ziehen lässt. Dort muss sich die junge Frau an das Leben als geduldete, aber nicht sonderlich gemochte Person einer diskriminierten Minderheit gewöhnen, was sehr hart gewesen sein muss. In dieser Welt stellt sich die Frage nach der eigenen Identität und Zugehörigkeit sowie die Herausforderung, Kinder in einer unbekannten Welt aufzuziehen.

Das traditionelle japanische Glücksspiel Pachinko (da gibt es sehr spannende Dokus auf YT) spielt im Leben der Familie zum Ende hin eine immer wichtigere Rolle, da sie damit Geld verdienen können und gibt einen sehr interessanten Einblick in diese Welt, von der ich vorher noch nie gehört hatte.

Wie ist’s

Obwohl es eine für mich wirklich neue, fremde Welt war, hat mich die Schreibweise sofort gefesselt und ich war „mittendrin statt nur dabei“. Da alle Personen wunderbar komplex und intensiv eingeführt werden, baut man Empathie auf und fühlt mit so ziemlich jedem mit und will wissen, wie das Leben der Person weitergeht. Insgesamt ist das Thema sehr traurig und das Buch ist keine leichte Kost, da ich immer noch nebenbei recherchierte, was da historisch genau passierte. Somit ist es zwar einerseits eine faszinierende Familiensaga, aber eben in einem real geschehenen, düsterem Kapitel der Weltgeschichte.

Durch die vielen Details kann man die jeweiligen Situationen fast riechen, schmecken und fühlen, z.b. wenn man die Frauen zu ihrem Marktstand oder ins Restaurant begleitet, wo sie später kochen dürfen. Genau, „dürfen“ ist hier das Wort, denn es war sehr schwierig für koreanische Menschen in Japan, einen (guten) Job zu bekommen. Weswegen einige in die kriminelle Unterwelt der Yakuza, welche oftmals die Pachinko-Hallen betrieben, abgleiten mussten, da sie keine andere Wahl hatten.

Ebenfalls thematisiert wird auch die Emazipation von Frauen in dieser schon sehr schwierigen Lebenswelt, welche sich von den traditionellen Vorstellungen, dass sie sich um Haushalt und Kinder kümmern, trennen mussten, damit ihre Familien überleben konnten. Oh, und jetzt hätte ich fast noch Religion vergessen, wobei hier besonders der katholische Glauben eine große Rolle spielt und das Leben enorm verkomplizieren kann.

Ihr merkt, es gibt sooooo viele Themen, die in diesem atmosphärisch dichten Roman von Min Jin Lee angesprochen werden, dass ich bestimmt noch einige vergessen habe. Aber trotz dieser Fülle überfordert Pachinko nicht, sondern nimmt einen immer wieder sanft an die Hand und führt einen durch das Leben der unterschiedlichen Personen.

Pachinko wurde als Fernsehserie verfilmt und ist seit 2022 bei Apple TV+ verfügbar, aber ich will sie nicht wirklich anschauen, da ich mir damit meine Bilder, die ich beim Lesen im Kopf hatte, zerstören würde. Ich wollte es aber anmerken, da nicht jeder solch dicke Bücher lesen mag und ich die Geschichte so empfehlenswert finde, dass ich dann sagen würde, ok schaut euch die Serie stattdessen an! Denn was damals mit den koreanischen Menschen in Korea und in Japan geschehen ist, sollte noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen.


Hat jemand von euch Pachinko gelesen und ist ähnlich begeistert? Ich will auf jeden Fall auch noch Ein einfaches Leben von Min Jin Lee erleben, da ich ihren Schreibstil einfach sehr mochte und es ein Thema ist, mit welchem ich bisher noch nicht allzu viel Verknüpfungspunkte hatte. Was immer spannend ist!