Heute habe ich wieder einen Roman von euch, welcher mich durch sein Cover so sehr angesprochen hat, dass ich einfach nicht an ihm vorbeigehen konnte. Es handelt sich hierbei um Die Diplomatin von Lucy Fricke und mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht, denn ich habe diese kurze Geschichte innerhalb eines Nachmittags nur so inhaliert!
Worum geht’s
Die erfahrene, ehrgeizige deutsche Diplomatin Fred wird aufgrund eines Vorfalls, dessen Verlauf sie nicht hätte beeinflussen können, von Montevideo nach Istanbul zwangsversetzt. In ihrer neuen, politisch aufgeheizten Heimat versucht sie Fuß zu fassen, merkt aber selbst, wie sie immer mehr den Glauben an die Diplomatie verliert und beschliesst, selbst zu handeln. Den gutgemeinten „Fahr nie selbst den Wagen“-Ratschlag eines Mitarbeiters ignoriert sie, denn nur sie selbst kann das Schicksal dreier Menschen noch in eine gute Richtung „fahren“.
Wie ist’s
Sehr fesselnd, denn man bekommt einmal spannende Einblicke in die Welt der deutschen Aussenpolitik vor Ort und gleichzeitig in das Innenleben einer Frau Ende 40, die merkt, dass viele ihrer langjährigen Überzeugungen nicht mehr mit der Realität übereinstimmen. Das Leben deutscher Diplomaten wird gut dargestellt, ihr begrenzter Aufgabenbereich aufgezeigt und diese Mischung aus Organisation von 3. Oktober-Feierlichkeiten und Hilfe bei politisch heiklen Dingen sehr gut illustriert. Wie wenig man in diesem Konstrukt dann wirklich Mensch sein kann, mit eigenen Gedanken und moralischen Wertvorstellungen, wird von Lucy Fricke mit wenig beschönigenden Worten beschrieben.
Die Geschichten (ich unterscheide hier mal zwischen Uruguay und der Türkei) sind spannend und kurzweilig, man ist an ihrem Ausgang interessiert, noch viel mehr aber daran, wie diplomatisch damit umgegangen wird. Wie reagiert Fred, welchen Regeln wird sie folgen – den eigenen oder denen der deutschen Regierung, welche nur bedingt nachvollziehbar sind, da es doch um Menschenleben geht. Für mich, die selbst mal in den diplomatischen Dienst wollte und eben an dieser schrecklich unflexiblen Haltung („aber wir machen das schon immer so, Basta!) scheiterte, war das das perfekte Buch.
Besonders spannend fand ich, dass die Hauptgeschichte in Istanbul spielt, ein Ort, an welchem Presse- und Meinungsfreiheit weiter und weiter eingeschränkt werden. Dass genau diese beiden Punkte aufgegriffen wurden, dass es um Korruption, um Erpressung auf höchster Ebene und um das unfaire Inhaftieren von Menschen geht, fand ich enorm interessant. Gleichzeitig mochte ich die kurzen atmosphärisch dichten Beschreibungen der Stadt am Bosporus und die vom Himmel fallende Möwe werde ich definitiv noch einige Zeit erinnern.
Für mich war das ein thematisch perfektes, wenn auch fast zu kurzes Buch, in welchem viele Geschichten und Entwicklungen miteinander verknüpft und von einer spannenden Frauenfigur zusammengehalten wurden. Welche selbst nicht nur mit ihrem diplomatischen, sondern auch mit ihrem persönlichen Lebenslauf zu kämpfen hat, als Partnerin und als Tochter. Auch wenn ihr euch nicht unbedingt für Deutsche Diplomatie interessiert, kann ich es aufgrund der Hauptperson Fred schon empfehlen! Von Lucy Fricke will ich nun ebenfalls mehr lesen, denn ich bin von ihrer Schreibart sehr angetan!