Obwohl meine Heimat in Südhessen ist, muss ich gestehen, dass ich Mittel- und Nordhessen und seine Städte nicht wirklich gut kenne. Bis auf die Ausnahme Bad Wildungen, wo ein ehemaliger Freund von mir wohnte, habe ich die meisten Städte wenn überhaupt mal für einen Tag als Kind besucht. Somit nutzte ich vor kurzem das schöne Wetter und fuhr mit der Bahn erst nach Gießen und dann noch weiter nach Marburg. Ja, man hätte bestimmt auch jeweils einen Tag pro Stadt einplanen können, mir ging es aber eher um einen ersten Eindruck (und um einen potentiellen Wochenendtrip).
Fangen wir chronologisch an, gegen halb 11 bin ich in der Universitätsstadt Gießen angekommen und zunächst an das nicht weit vom Bahnhof entfernte Liebig-Museum gelaufen. Hier kann man normalerweise die originalen Labore von Justus Liebig besichtigen, aktuell ist das allerdings nur in Gruppen nach vorheriger Anmeldung möglich. Schade. Direkt nebenan befindet sich allerdings noch das Mathematikum, welches ein Science Center zum Mitmachen und Anfassen ist. Erinnert mich an das Futurium in Berlin und ich bin großer Fan davon, in Museen nicht nur Objekte zu bewundern, sondern mit ihnen aktiv arbeiten zu können. So erschließt sich mir die Welt der Mathematik definitiv besser! Aber nicht nur Erwachsene, auch Kinder haben hier viel Spaß, da man spielerisch neue Dinge entdecken kann!
An einem kleinen Flüsschen entlang ging es weiter zur Kunsthalle Gießen, wo wechselnde Ausstellungen gezeigt werden. Sie befindet sich IM Rathaus, was mich zunächst irritierte, denn ich musste mich in die Rathausbesucher-Schlange einreihen und an der Anmeldung mitteilen, was ich hier will. Die Kunsthalle selbst ist nur ein kleiner Raum, in welcher ich die Ausstellung Planet Greyhound von Julia Scher besuchte. Von hier ging es weiter Richtung Innenstadt und zum wohl skurrilsten Punkt auf meiner heutigen to-do-Liste, dem Gießkannenmuseum. Direkt neben dem Botanischen Garten gelegen, finden Interessierte hier ein lebendiges Mitmachmuseum vor und können Gießkannen aus unterschiedlichsten Epochen und Ländern bestaunen. Da ich als Ethnologin sehr an materieller Alltagskultur interessiert bin, war dieser Ort genau meins und der Mitarbeiter dort super freundlich. Es ist ebenfalls nicht groß, aber ich hatte den gesamten Ausstellungsraum für mich und konnte in Ruhe jedes Objekt bewundern. Sowohl die Kunsthalle als auch das Gießkannenmuseum sowie mein nächster Halt, das Oberhessische Museum kosten keinen Eintritt!
Das Oberhessische Museum befindet sich aktuell leider im Umbau, somit waren einige Gebäude nicht zugänglich und ich habe nur einen Teil der archäologischen Abteilung, etwas über das jüdische Leben in Marburg sowie die Sonderausstellung über das Manische besuchen können. Verrückterweise hatte ich vorher noch nie etwas über die Manische Sprache gehört und war sehr von ihr fasziniert. Gesprochen wurde sie im Bereich Gießen, Marburg, Wetzlar als ein Soziolekt von Menschen am Rande der Gesellschaft und ich fand es sehr spannend, nicht nur mehr über den Aufbau der Sprache, sondern eben auch über ihre Sprecher zu erfahren. Allein dafür hat sich der Museumsbesuch schon für mich gelohnt! Danach lief ich nur noch ein wenig durch die Altstadt, schnappte mir auf dem Wochenmarkt ein paar leckere regionale Snacks und spazierte dann am Elefantenklo entlang zurück zum Bahnhof.
Da ich in Marburg zuerst den Planetenlehrpfad laufen wollte, stieg ich schon in Cappel aus. Auf insgesamt 6 Kilometern könnt ihr hier entlang der Lahn alles über unser Sonnensystem lernen, welches in einem Maßstab von 1:1 Milliarde abgebildet ist. Dabei geht es erst durch Natur und dann durch Marburg bis zum Bahnhof, wo der Pfad endet. Danach erlief ich mir einfach die Stadt, bestaunte die schönen Häuser am Fluß, die vielen Kirchen und teilweise zu futuristisch wirkenden Gebäude und fand mich dann am Lecker-Eck wieder. Dort müsst ihr unbedingt die Falafel mit Twisterpommes bestellen und euch dann 200m weiter auf eine sonnige Wiese an der Lahn setzen, sooooooooo gut! Für das sich nebenan befindende Museum für Kunst und Kulturgeschichte hatte ich leider keine Zeit mehr, denn ich wollte in die Oberstadt!
Um zum Marburger Schloß zu gelangen, kann man entweder zu Fuß nach oben steigen oder einen kostenlosen Aufzug nehmen. Obwohl ich kein Aufzug-Fan bin, wollte ich diese Option aber trotzdem erleben und schon von dort hat man eine großartige Aussicht! Die Oberstadt ist einfach wunderschön, viele alte, verwinkelte Gassen, schöne Häuser und ich hatte ein „Urlaubsgefühl“, welches mir in Gießen leider fehlte. Dass hier einige Gebäude von der Uni liegen, finde ich für die Studenten großartig, so macht das Studieren doch gleich noch mehr Spaß!
Das Schloß selbst beheimatet ein Museum, wobei ich dieses Mal aber einfach nur die Aussicht von der Terrasse genossen habe und lieber noch ein wenig durch die Gassen gestreift bin. Im Sommer ist es hier bestimmt sehr voll in all den Straßencafes, an einem beliebigen Werktag ging es aber. Auf Empfehlung besuchte ich dann noch Kinderkiste, ein wundervolles Spielwarengeschäft mit toller Beratung, wenn man auf der Suche nach einem neuen Gesellschaftsspiel ist.
Nach diesem ersten Erschnuppern muss ich zugeben, dass mir Marburg besser gefällt und ich schon einen weiteren Trip in die Stadt plane. Denn nicht nur habe ich noch einiges auf meiner Liste stehen, was ich besichtigen mag (besonders die Museen), auch gibt es um Umland einige spannende, kurze Wanderungen, die ich gerne unternehmen würde. Was nicht heißen soll, dass ich Gießen schrecklich fand, aber spontan muss ich einfach nicht noch einmal hin 😉
Kennt ihr eine der beiden oder sogar beide Städte? Wenn ja, wie haben sie euch gefallen und was muss man sich eurer Meinung nach dort unbedingt ansehen? Kassel habe ich eigentlich auch noch auf meiner Liste, da war ich nur auf der Documenta, aber das ist schon ein gutes Stück mit dem Zug..