Gestern hatte ich dank Zeit-online die Moeglichkeit, der Premiere des Filmes Wer weiss, wohin? beziehungsweise im Original Et maintenant on va ou? beizuwohnen. Ganz standesgemaess underdressed ging es dann ueber den roten Teppich ins Cinema Paris, welches ich zwar vom Sehen her kannte, aber noch nie drin war. Grosser Fehler, wird wiederholt, denn auch hier laeuft The Artist und der steht auf meiner „Schnell anschauen“-Liste. Wir bekamen dann nur noch Plaetze in der 2. Reihe, doch kann man die Sessel genial nach hinten klappen und so war selbst diese Naehe bequem.

In einem kleinen Dorf im Libanon leben schon ewig Christen und Moslems Tür an Tür. Zwischen den Männern kommt es deshalb immer wieder zu handfestem Streit. Von den Prügeleien haben die Frauen aber endgültig genug. Da bei den Männern mit Gesprächen keine Einsicht zu erzielen ist, werden die Dorfbewohnerinnen kreativ und sowohl der einzige Fernseher des Dorfes, als auch selbstgebackene Haschkekse spielen bei ihren Erziehungsversuchen eine Rolle (diese Zusammenfassung habe ich mal hier geklaut, da ich selbst gerade Angst habe, zu spoilern *g*)

Mir hat der Film ausserordentlich gut gefallen; er regt enorm zum Nachdenken an, es ist keine leichte Kost, aber durch die witzigen Passagen kann man auch immer mal wieder kurz lachen. Jedoch laesst einen die Thematik danach nicht los, man wird den restlichen Abend noch haeufig darueber nachdenken und auch die weiteren Tage. Ein Film mit einer starken Wirkung, einem sehr wichtigen Thema und viel „Nachklang“.

Die Regisseurin Nadine Labaki war ebenfalls anwesend sowie ihre Schwester, die auch in dem Film mitspielt. Sie stand der Zeitredakteurin Reden und Antwort und war eine sehr sympathische Frau, der man sofort abnahm, dass ihr ganzes Herzblut in diesem Film steckt. Sie selbst lebt noch immer im Libanon, ist mittlerweile Mutter und kam auf die Filmidee, da sie sich fragte, wie sie wohl handeln wuerde, wenn es um ihren Sohn gehen wuerde. Sie ist selbst enorm ueberrascht von dem Erfolg des Filmes, aber dadurch auch sehr bestrebt weiterzumachen (was bei der quasi nichtexistierenden Filmindustrie im Libanon sehr wichtig ist). Auch spannend fand ich, dass sie fast nur mit Laiendarstellern arbeitet und es sehr viel Improvisation waehrend des Drehs gibt. Sie versucht, die Menschen so spielen zu lassen, wie sie auch selbst handeln wuerden und ich finde wirklich, das merkt man. Der Film wirkt enorm realistisch.

Nadine Labaki
[links Caroline, ihre Schwester; Nadine Labaki; Zeit-Redakteurin]

Der Film wurde im Libanon sehr positiv aufgenommen, die Verkaufszahlen sind bombastisch und auch international raeumt er auf den Filmfestspielen vollkommen zurecht ab! Da es der zweite Film von Nadine Labaki ist, muss ich mir nun unbedingt ihr Erstlingswerk besorgen!

Also, das ist wirklich schon jetzt die Filmempfehlung des Jahres fuer mich! Ansehen, ansehen, ansehen! Wenn moeglich, dann auch im arabischen Original mit Untertiteln..das macht nochmal viel aus, finde ich. Und die Musik habe ich mir auch gleich noch besorgt, welche ich enorm passend fand.

Hat ihn hier schon wer gesehen? Wenn ja, was sagt ihr? 🙂 Ich diskutierte heute mit einem indischen Freund der ihn gesehen hat, kann man diese Problematik doch auf soooo viele andere Laender uebertragen..hachja..angucken, mitreden 🙂